standbild: Kampagnen für den Endsieg
Hirnschal gegen Hitler
(Themenabend „Lachen über Hitler“, Di., 21.45 Uhr, Arte)
Die Kamera patroulliert durch ein von V2-Raketen zerstörtes, gleichwohl belebtes London. Vergnügt kommentiert eine Stime aus dem Off das Desaster: „Die Läden sind schon geöffnet“, und nach einem Schnitt auf ein Haus mit weggerissener Fassade: „. . . manche sind sogar geöffneter als sonst“. Was ein maliziöser Kommentar aus der deutschen Wochenschau sein könnte, ist ein besonderes Beispiel britischen Humors: Wir lassen uns nicht unterkriegen, lautete die Botschaft der BBC. Damit die auch beim Feind Gehör fand, sendete der Deutsche Dienst der BBC mit Hilfe deutschsprachiger Exilanten nach Großdeutschland hinüber.
Mit nachgestellten Szenen und Archivmaterial spürte das Dokumentarspiel „Hirnschal gegen Hitler“ den britischen Bemühungen nach, die Deutschen mittels satirischer Radioprogramme zur Vernunft zu bringen. Um die Äther-Hoheit über die Volksempfänger zu gewinnen, musste die BBC erst einmal besser sein, will heißen: Witziger und weniger belehrend als etwa Goebbels’ Propaganda-Duo „Tran und Helle“, das in kleinen Lehrstücken vor dem Abhören ebenjener „Feindsender“ warnen und auch sonst mit guter Laune einlullen sollte.
Also schufen die BBC-Verantwortlichen das Pärchen „Kurt und Willi“, das in schmissigen Dialogen die Lügen Hitlers demaskierte. Oder den biederen Gefreiten „Adolf Hirnschal“, der dergleichen in Briefe an die „liebe Gemahlin“ verpackte.
Gestenreich schildert der einzige Zeitzeuge, Kurt Esslin, weshalb die britische Propaganda obsiegen musste: „Die Nazis übertrieben ihre Siege, wir übertrieben unsere Niederlagen.“ Als Hitler 1941 zum „Jahr des Endsieges“ erklärt hatte, erinnerte die BBC ihre deutschen Hörer täglich an des Führers vollmundiges Versprechen und setzte die Kampagne konsequent bis Jahresende fort: „Heute ist der letzte Tag im Jahr des Endsieges“ – da steckte die Wehrmacht gerade im russischen Winter fest, und die USA waren in den Krieg eingetreten.
Am Ende wurden übrigens die Briten mit versöhnlichen Schlagern dazu angehalten, die Deutschen nun nicht wie Tiere zu behandeln, wie sie’s vielleicht verdient hätten: „Let’s share our BBC with them.“ ARNO FRANK
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen