standbild: Bilder vom Krieg
„Indiras Tagebuch“ (Fr., 22.15 Uhr, Arte)
Als mediale Massenveranstaltung geschildert wirken Kriegsbilder im Fernsehen stets eher harmlos: Soldaten in Uniform verrichten, was vermeintlich ihre Pflicht ist. Aggressive Waffenschauen vom Panzer bis zum Nato-Bomber, lassen den Krieg als technisch-saubere Angelegenheit erscheinen, Massenflucht-Bilder anonymisieren das Leid. Der Sprachjargon verharmlost: Es wird „gefallen“, nicht etwa schwer verletzt ein qualvoller Tod gestorben. Es ist kein Gesicht eines Verwandten zu erkennen, das Leere und Trauer verrät. Und kein Mensch, dessen Seelenleben bis ins Innerste zerstört ist.
In Eduard Ernes Film „Indiras Tagebuch“ ist dies alles anders. Da ist Indira, diese zarte und sympathische Frau, die mitten im primitiven Flüchtlingslager ganz zivile Bedürfnisse hat. Indira ist ein Flüchtling von zehntausenden Vertriebenen aus dem Kosovo. Mitten im Chaos, im Gewühl zwischen äußerlich und innerlich zerrütteten Menschen, sitzt sie in ihrem Zelt im Lager Stenkovac 2 in Makedonien, möchte gern Zeitung lesen und schreibt Tagebuch. Auf diese Art macht der Film deutlich, was es für den Alltag eines Menschen bedeutet, wenn er in Kriegswirren gezerrt wird. Er nimmt den Fernsehzuschauer emotional mit. Wenn Indira berichtet, wie serbische Paramilitärs mit Baseballschlägern und Gewehren in ihre Wohnung eindrangen, so wird deren Brutalität durch ihre Blicke deutlich.
Keine Verdrängung ist möglich, Indiras Erzählungen gehen nahe. Sie beibt nicht irgendeine ferne Fremde, auch die Leichen ihrer Nachbarn sind keine anonymen Toten, deren Geschichte man nicht kennt.
Der Tod bekommt ein Gesicht. Kriegsbilder, die nicht so schnell zu vergessen sind. Und wenn Indira der Boden unter den Füßen schwankt – selbst wenn sie im Asyl in Schweden rein formal in Sicherheit ist – wird deutlich, dass der Krieg nicht vorbei ist, sondern in ihrem Kopf weiter toben wird. Jene Paramilitärs werden wieder auftauchen – in Tagträumen und Fantasien. Indiras Schmerz wird lebendig bleiben, genauso wie die Trauer um ihren vermissten Vater, von dem sie nicht weiß, ob er lebt oder tot ist.
Denn Krieg zerstört vor allem den Seelenfrieden.
GITTA DÜPERTHAL
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