sportplatz: Kampf der Eisenfüße
Hertha tritt im Tabellenmittelfeld auf der Stelle. Nach dem niveauarmen 0:0 gegen Freiburg werden auch die Anhänger zunehmend ungeduldig
Hertha-Trainer Pál Dárdai
Von Alina Schwermer
Wer sich zurzeit Spiele von Hertha BSC anschaut, darf keine hohen Ansprüche an Unterhaltsamkeit, Qualität oder Spaß haben – oder muss irgendwie selbst für seinen Spaß sorgen. So bei der letztwöchigen 0:1-Auswärtsniederlage gegen Schalke, einem Grottenkick, bei dem Hertha nur durch eine Randnotiz bundesweite Aufmerksamkeit fand: „Hertha-Fan onaniert mitten im Stadion“, titelte die Bild-Zeitung aufgeregt, und die B.Z. spekulierte fachmännisch: „War er zu heiß aufs Spiel?“ Bei der Qualität der Partie eine gewagte These, aber man weiß ja nie. Dem Mann droht Stadionverbot, und das jüngste Heimspiel der Hertha gegen Freiburg am vergangenen Samstag war um, nun ja, einen Höhepunkt ärmer.
Auch auf dem Rasen ging es noch weniger unterhaltsam zu als beim Schalke-Spiel. Nach einem erschreckend niveauarmen 0:0 trennten sich die beiden Clubs; die Berliner verließen das Feld unter den Pfiffen der Anhänger. Hertha hat weiterhin und immer deutlicher ein Problem.
Pál Dárdai, der sich am Spiel nicht sonderlich gestört zu haben schien, sah das anders: „Der Punkt war nicht unverdient. Wir haben in der ersten Halbzeit genug Möglichkeiten erspielt. Am Ende kann es dann ein bisschen zäh sein, weil die Kraft fehlt. Das muss man einfach akzeptieren und ruhig bleiben.“
Akzeptanz aber fällt vielen Herthanern vor allem angesichts der defensiv-drögen, ideenlosen Spielweise zunehmend schwer. Am Samstagnachmittag hatte die Partie in den ersten 25 Minuten noch einen gewissen, wenn auch fußballerisch biederen Unterhaltungswert, doch in den weiteren 70 Minuten versackte das Spiel völlig. Hertha setzte auf die übliche Taktik des harten Gegenpressings und eisernen Verteidigens. Teilweise mauerten die Berliner im eigenen Stadion. Die Freiburger ihrerseits fanden keinen Weg durch die starke Hertha-Abwehr. Was blieb, war ein von Fehlpässen geprägter Abnutzungskampf im Mittelfeld.
Bekanntes Problem also. In einer Bundesliga, in der kaum eine Mannschaft mehr versucht, das Spiel zu machen, und jeder sich auf Gegenstöße und das Verhindern des Spielflusses beschränkt, hat sich Hertha BSC unter all den mittelmäßigen Zerstörer-Teams den zweifelhaften Ruf der größten Eisenfüße erworben.
In den ersten Jahren unter Dárdai war das nötig und nützlich. Der Ungar stabilisierte die Berliner Abwehr und machte so den Klassenerhalt und später die Europapokal-Quali erst möglich. Doch ohne auch nur halbwegs kreative Spielgestaltung tritt Hertha jetzt auf der Stelle. Und strapaziert die Geduld des neutralen und auch des eigenen Zuschauers. Geht es gegen große Teams, die mit viel Ballbesitz agieren (im Wesentlichen der FC Bayern), ist die Partie durchaus unterhaltsam. Gegen alle anderen ist es schwer erträglich. In neun Spielen der Rückrunde haben die Berliner sechs Mal kein eigenes Tor geschossen. Hertha ist eine Mannschaft der 0:0- und 0:1-Partien; aktuell rangiert man damit auf Platz 11. Zu gut für den Abstieg, zu schlecht für alles andere.
„Wir haben eine sehr harte Spielweise gewählt“, formulierte es Dárdai nach dem Freiburg-Spiel. Und räumte immerhin, als ahne er die Vorbehalte, lächelnd ein: „Am Schluss der zweiten Halbzeit war es ein mittelmäßiges Bundesligaspiel.“ Da waren einige Zuschauer längst gegangen. Nur 38.000 wollten die Partie anschauen.
Herthas Zuschauerschnitt ist von 50.000 in der vergangenen Spielzeit auf 44.000 eingebrochen. Es ist der niedrigste Schnitt seit der Saison 2012/13 in der zweiten Liga. Für einen Verein, der gerade mit einem Stadionbau mehr Fans anziehen will, ein bedenklicher Trend. Nicht unbedingt Siege, sondern vor allem Mut zu attraktiverem Spiel wäre ratsam. „Im Training machen wir viele schöne Tore“, erklärte Pál Dárdai gegen Ende der Pressekonferenz mit etwas Ironie. Es wäre hilfreich, wenn es die auch in der Liga zu sehen gäbe.
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