spd ohne ossis: Mehr als ein Ost-Problem
Auf den ersten Blick wirkt das Ganze läppisch: Um das Pöstchen des Parlamentspräsidenten zanken sich die Abgeordneten innerhalb der SPD-Fraktion. Ist es so wichtig, wer bei Lärm im Plenum das Glöckchen schwingt und den Vorsteher des Parlaments von Ulan-Bator empfängt? Nein, ist es nicht. Und das illustriert die Berliner Malaise: Auch anderswo bleiben die mit Entscheidungskompetenzen und echten Pfründen ausgestatteten Ämter Wessis vorbehalten. Aber selbst Gerhard Schröder hat es für nötig befunden, mit Wolfgang Thierse einem Ossi die Repräsentation des Bundestages zu überlassen. Nur in Berlin – der Stadt der Teilung – reicht es für die Ossis nicht einmal zum Grüßaugust.
Kommentarvon ROBIN ALEXANDER
Das Argument, Herkunft ersetze nicht Qualifikation, ist selbstverständlich richtig, verfängt aber nicht: Mit Protagonisten wie Ralf Hillenberg und Torsten Hilse wird die Erhebung der Ostberliner Sozialdemokraten in der Tat zum Zwergenaufstand.
Aber Wowereit, Strieder und Co. sollten sich nur kurzfristig über die Schwäche der Störer freuen: Langfristig steht es schlimm um die SPD, wenn ihre Ostgenossen nicht einmal mächtig genug sind, um um zweitrangige Ämter mitzukungeln. Die Menschen wollen sich nun einmal auch mit den Lebensläufen ihrer Vertreter identifizieren – und das übrigens nicht nur in Ostberlin.
Mit der Implosion der CDU ist der SPD endgültig eine zentrale Rolle im Parteiensystem der Hauptstadt zugefallen. Daraus resultiert auch eine Verantwortung. Eine SPD, die Berlin führen will, darf nicht den Eindruck aufkommen lassen, ein Teil der Stadt sei ausgeschlossen von den Entscheidungsebenen in Kultur, Wirtschaft und Politik. Aber wie wollen Sozialdemokraten die Beteiligung des Ostens einklagen, wenn sie angemessene Repräsentanz nicht einmal im eigenen Verein organisieren können?
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