serie: Die späten Jahre eines Seifenoperstars
Die Miniserie „Nolly“ erzählt das Leben der legendären britischen TV-Legende Joan Noele Gordon
Die Heldin dieser dreiteiligen Serie ist nicht erfunden, sie gab es wirklich: Joan Noele Gordon, Jahrgang 1919, eine Berühmtheit des britischen Fernsehens: die erste Talkmoderatorin, die erste Frau, die einen britischen Premierminister interviewte – und schließlich, ihr biografischer Höhepunkt, beinah 18 Jahre der Mittelpunkt der Seifenoper „Crossroads“, in der sie die Chefin eines Motelkomplexes spielt.
Das alles geschah unter dem Radar der üblichen BBC-Rezeptionen aus Londoner Perspektive, denn die über 2.000 Episoden spielten in der Provinz. Gordon, die „Nolly“ gerufen wurde, war, wie es in der Geschichte über das Crossroads-Leben Gordons heißt, die „Königin der Midlands“, gemessen an den Stilen der Hauptstadt: müllig, hausfrauenhaft, billig. Heutzutage denkt man auch an ästhetische Atmosphären wie im Weißen Haus von Donald & Melania Trump, golden, wenn auch in der Seifenoper nur als Simulation echten Glams.
Die Serie mit der kraftvoll und verletzlich wirkenden Helena Bonham Carter in der Titelrolle der „Nolly“ entwickelt sich über die gut insgesamt zwei Stunden.
Am Anfang ist die Schauspielerin selbstbewusste Akteurin, die selbst in die Regie eingreift, Szenen verändert, Kommandos gibt, sie endet als Tragödin, die aus der Serie herausgeschrieben wird, der Albtraum von Soap-Langzeitbeschäftigten, zumal wenn es die Protagonistin ist. „Was wird aus mir?“, fragt sich die Anfang 60-jährige Nolly Gordon.
Dass diese Miniserie in Großbritannien gerade bei Frauen des problematisierten Alters populär wurde, wird nicht allein an der famosen Bonham Carter gelegen haben, sondern vor allem am Stoff, der zur Identifikation einlädt: Es hat doch so lang gedauert, ehe ich meinen Erfolg im Leben fand – und das soll jetzt aufhören? Es sei empfohlen, den britischen Originalton einzustellen, die britische Contenance in schlimmsten Situationen der Niederlage ist ein Genuss.
Jan Feddersen
„Nolly“,ARD-Mediathek
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