piwik no script img

semesterticket JETZT ODER NIE

Die Studenten können den Hals nicht voll genug bekommen. Da bietet ihnen die sonst so hartleibige BVG schon ein Semesterticket an, mit dem sie sechs Monate lang für 215 Mark durch Berlin fahren können – doch dem verwöhnten Pack sind 35 Mark pro Monat immer noch zu teuer.

So pöbelt Volkes Stimme. Doch an der Idee des Semestertickets geht diese simple Argumentation vorbei. Schließlich werden die Studenten allesamt dazu verpflichtet, diesen Obolus zu entrichten – ganz gleich ob sie den Weg zur Uni mit Auto oder Fahrrad, auf Inline-Skates oder zu Fuß zurücklegen. Mit dem günstigen Preis verteilt der Verkehrsbetrieb also keine Almosen, sondern er kauft sich massenweise neue Kunden ein.

Den Verkehrsverbünden andernorts war das weit saftigere Preisnachlässe wert: In Bremen können Studenten für 85 Mark pro Semester auch durch halb Niedersachsen düsen, im Ruhrgebiet stehen ihnen für 120 Mark alle Busse und Bahnen zwischen Unna und Mönchengladbach offen, und in Gießen oder Marburg können sie sich für 100 Mark auf zwei Dritteln des hessischen Territoriums bewegen.

Auf Berlin lassen sich diese traumhaften Preise leider nicht übertragen. Bei der Kalkulation fürs Semesterticket verwandelt sich in einen großen Nachteil, was Verkehrsplanern sonst als Vorteil gilt: Berlins Studenten fahren schon jetzt viel zu viel mit Bus und Bahn. Im Winterhalbjahr steigen bis zu zwei Drittel der angehenden Akademiker auf dem Weg zur Uni in die U-Bahn. Das Zwangsticket für alle bringt den Verkehrsbetrieben also nur wenig neue Kunden, entsprechend dürftig fällt der Preisnachlass aus.

Weil sich die Berliner Studenten nur selten nach Brandenburg wagen, müsste ein Ticket für beide Länder nicht viel teurer sein. Dass die Verkehrsbetriebe hier auf stur schalten, ist kaum verständlich. Das gleiche gilt für den Fahrradtransport. Er würde bei der fälligen Urabstimmung den passionierten Radlern das Ja zum Ticket erleichtern.

Aber auch die Studenten handelten kleinkariert, würden sie das Ticket auf diesem Nebenschauplatz scheitern lassen. Kommt das Semesterticket jetzt nicht, kommt es womöglich gar nicht mehr.RALPH BOLLMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen