schnittplatz : Unterhaltsames Geschnatter
Gemeinhin sind Kongresse einem Fachpublikum vorbehalten. Nicht so beim „Medientreffpunkt Mitteldeutschland“ in Leipzig. Die schwerelos alliterierende Veranstaltung unter Federführung der Landesmedienanstalten von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt geht heute zu Ende und stand unter dem optimistischen Motto „Mehr Wissen durch Medien“. Treffpunkt der einleitenden Podiumsdiskussion „Polit-Talk: Servicepflicht oder unterhaltsames Ärgernis?“ war die öffentliche Osthalle des Hauptbahnhofs.
Auf einer mächtigen Tribüne kamen die Säulenheiligen ihres Segments einhergesegelt: Ulrich „ARD“ Deppendorf. Ruprecht „ZDF“ Eser. Wolfgang „MDR“ Kenntemich. Die kritische Klaudia Brunst. Der superkritische Reinhard Mohr. Und der komische Heinz Eggert. Tapfer tauschten diese Experten zunächst Bonmots aus: „Sie können fragen, was Sie wollen, und ich kann antworten, was ich will“, zitierte Eser Alexander Schalck-Golodkowski. „Fernsehen macht kluge Leute klüger und Dumme dümmer“, zitierte Reinhard Mohr vom Spiegel Marcel Reich-Ranicki. Nur Eggert, hemdsärmeliger Hybride aus Politiker (CDU) und Journalist (n-tv), steuerte eine eigene Meinung bei („Sabrina kommt bald in den Knast!“) und wurde prompt von Eser zurückgepfiffen: „Ich dachte, wir würden über politische Sendungen sprechen!“
Ersetzt die Talkshow das Parlament? Verzerrt das Fernsehen demokratische Prozesse? Das hänge, so die erstaunlich einhellige Meinung, ganz von der Professionalität der jeweiligen Journalisten ab. Während Deppendorf gar eine „Renaissance der Sachlichkeit“ heraufdämmern sieht, schwärmt Kenntemich von den USA: „Da können wir noch was lernen!“ Allein Eser sonnt sich vergnügt in den Quoten, die Helmut Kohl ihm beschaffte: „Wir sind doch längst in der Fernsehrepublik angekommen!“ Dort haben es sich die Experten so gemütlich eingerichtet, dass sie das im Rückspiegel heranrasende Internet offenbar noch gar nicht bemerkt haben.
ARNO FRANK
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen