schnittplatz: Sinnsuche im Tiergarten
Eine Parade der Liebe, eine Demonstration für eine bessere Welt ist letzten Samstag über die Hauptstadt hinweggebrandet – und die Öffentlich-Rechtlichen stürzten sich mitten hinein ins Getümmel, die Welle zu reiten bis sie bricht. Allen voran der SFB mit seinem Regionalprogramm B1, der die furchtlose Außenreporterin Patricia Pantel auf die Suche nach hippen Ravern schickte, die sich vor der Kamera zum Äffchen machen lassen.
„Sie tun alles, was man ihnen sagt“, freut sich Pantel und lädt drei skurril ausstaffierte Tänzer zum Müllsackhüpfen und anderem Zeitvertreib, mit dem sich gemeinhin Kindergeburtstage aufwerten lassen.
Auch sonst bot der Fernsehnachmittag all jenen, die die Masse scheuen, seltene Einblicke: So den völlig derangierten, 72-jährigen Gotthilf Fischer, der am Brandenburger Tor die Massen dirigierte und mit toleranten Statements überraschte: „Keiner soll was gegen die Jugend sagen!“ An ebendieser Stelle habe der greise Chorleiter, so die Stimme aus dem Off, „1946 beim Volkssturm 38 seiner Kameraden verloren“ – aber wir wollen nichts gegen eine Jugend sagen, die das Ende des Krieges 1945 ja nicht miterlebt hat.
Von „Echt geil!“ über „Toll was los hier!“ bis zum gewagten „Spass haben und zwischendurch mal ’ne Nummer schieben“ reichte die Palette politischer Meinungsäußerung – aber was soll man schon sagen, wenn man zum Tanzen gekommen ist und plötzlich in ein Mikro sprechen muss.
Und so hatten die diversen Reporter schwer zu kämpfen, der Massenveranstaltung Unterhaltsames abzugewinnen – ob zwischen entrückten TänzerInnen auf einem der Wagen oder im harngeplagten Dickicht des Tiergartens. Stets war es „zu laut“ oder „zu voll“, wie im richtigen Leben auch.
Hier sollte Programm gemacht werden, wo keines war – laute Beats erschwerten zusätzlich die die Arbeit. Und so plapperten permanent Moderatoren gegen einen Lärm an, der Musik sein wollte, aber nicht durfte.
ARNO FRANK
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