schnittplatz: Aug’ um Augstein
Leo Kirch ist wieder gesund. Diese frohe Botschaft überbrachte kein Geringerer als Helmut Markwort schon am Montag zur Eröffnung der Münchner Medientage. Und auch Rudolf Augstein geht’s wieder gut: Nach kurzer, schwerer Erkrankung nahm der Spiegel-Herausgeber jedenfalls schon am Montag wieder an der Redaktionskonferenz teil.
Das an sich wäre nun kein Anlass für glossierende Betrachtungen, wenn Augstein nicht eigentlich am Freitag in der Frankfurter Paulskirche den Ludwig-Börne-Preis hätte in Empfang nehmen sollen, woran sich auch die taz rieb (siehe Ausgabe vom 3. 11.). Es ging unter anderem um die Tatsache, dass der Spiegel – „immerdar ein antifaschistisches Sturmgeschütz von Anbeginn“, so 1997 die Selbstbeweihräucherung zum 50. Geburtstag – hochrangige ehemalige NS-Leute in führenden Positionen beschäftigte und sich bis heute um die Analyse seiner eigenen Ur- und Frühgeschichte herumdrückt.
Wie das zur aufklärerischen und freiheitlichen Tradition Ludwig Börnes, deretwegen Augstein jetzt später geehrt werden soll, passt, muss gefragt werden.
Dass Hans Leyendecker dabei in der Süddeutschen zu anderen Ergebnissen als die taz kommt, ist nicht weiter verwunderlich.
Dass sich die Süddeutsche dabei allerdings mit ins Boot der Spiegel-Apologeten begibt und ähnlich wie Spiegel-Chefredakteur Aust die Mär der „kleinen Chargen“ weiterspinnt, wundert schon. „Richtig ist, dass ehemalige SS-Mitglieder in der Redaktion zu finden waren, aber in allen Berufen gab es damals Unaufmerksamkeiten“, schrieb am Montag die SZ.
Unaufmerksamkeiten? Horst Mahnke, SD-Mann beim Vorkommando Moskau und seit 1952 Ressortchef beim Spiegel – eine Petitesse? Oder Georg Wolff, der es bis zum stellvertretenden Chefredakteur brachte und während des Krieges als SD-Führer im besetzten Norwegen aktiv war?
„Die Wahrheit kommt im Leben zumeist im Plural vor“, so die SZ. Dass gerade der Spiegel bei anderen stets um den kritischen Blick in die braune Vergangenheit bemüht war, ist demnach nur eine Wahrheit. Eine andere wäre, dass sich der Spiegel nur deshalb um die Aufarbeitung von NS-Verbrechen verdient machen konnte, weil er die alten Kameraden lange in den eigenen Reihen beherbergte.
STEFFEN GRIMBERG
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