schnittplatz: Immer feste druff ...
Ach, Springers Zeitungswald. Wie es da rauscht und raunt. Franz Josef Wagner kann nicht raunen, sondern nur bollern: „Ich war 23. Ich war Reporter. Ich war kein Mörder. Ich finde Sie unmöglich“, schrieb der Überkolumnist gestern in seinem Bild-Brief an – Wolf Biermann natürlich. Denn der hatte sich am Freitag in der Welt zu „Anmerkungen zur Vergangenheitsbewältigung von 1968“ hinreißen lassen und da natürlich seine schönen Verse „Drei Kugeln auf Rudi Dutschke“ zitiert. „Kugel eins kam aus Springers Zeitungswald“, heißt es dort, und neben einer Vergangenheitsbewältigung des damaligen Bild-Reporters Wagner („Ich interviewte damals den Chef des Lehrlings Bachmann, der auf Rudi Dutschke schoss. Das können Sie nachlesen. Das ist in den Archiven“) macht Bild-Kolumnist Wagner auch noch seinen ganz privaten Denkprozess durch: „Zuerst dachte ich: Der Biermann ist ein feuilletonistischer Spinner. Aber je mehr Stunden vergehen, denke ich, dass es noch keine Dummheit gegeben hat, die nicht irgendeinen Gläubigen gefunden hätte.“
Das sind nun reichlich Nebensätze für Bild-Verhältnisse, aber dafür liegen Springers Blätter endlich wieder auf Linie. Denn die Welt ruderte schon am Montag mit großem Aufwand zurück und hatte ohnehin den Biermann-Beitrag extra mit „Debatte“ als blattlinienunkonform gekennzeichnet. Was die FAZ wiederum nicht davon abhielt, sich diebisch zu freuen und ihrerseits am Wochenende mit einem kurzen „Schuldbekenntnis: Springer und das Dutschke-Attentat“ die Welt zu provozieren.
Deren Entgegnung las sich wie eine Gegendarstellung („Diese Behauptung ist unwahr. Zu keiner Zeit hat der Springer-Verlag ein entsprechendes ‚Schuldbekenntnis‘ abgelegt“) – stand blöderweise aber im eigenen Blatt. Nebst verquaster Analyse des „Richtungsstreits“ bei der FAZ und dem „spürbaren Führungsvakuum“ dortselbst, das der böse, böse „Herausgeber Schirrmacher“ für seine feuilletonistisch-regierungsnahen Sperenzchen ausnutzt.
Man wird den Verdacht nicht los, der Blödsinn habe auch noch genutzt. Denn gestern widmete sich die FAZ-„Brüllecke“ „aus gegebenen Anlass“ nochmal den wilden 70ern. Überschrift: „Brandstifter“. In Fraktur, versteht sich. STG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen