schnittplatz: Wanderzirkus MTV
Komm, puttputt, ja komm her, puttputt. Magst nicht? Ja, dann guck doch erst mal, was wir hier Leckeres für dich haben, hm? Flair zum Beispiel. Ey, dit hier is Ballin, wa! Reicht nicht? Okay, Lohnkostenzuschüsse gibt’s auch! Und tolle Immobilien, beste Lage! Jetzt komm schon! Deine Freunde Sony und Universal sind auch schon da, die würden sich total freuen!
Diesem Werben konnte der Musiksender nicht länger widerstehen: MTV zieht von München nach Berlin, vom Englischen Garten ans Spreeufer. „Es mag durchaus sein, dass Berlin Interesse an uns hat“, lautete das kokette Dementi noch vor einem Monat, als erste Verhandlungen zwischen MTV-Geschäftsführerin Catherine Mühlemann und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit ruchbar geworden waren.
Berlin hat’s nötig, in jeder Hinsicht. Zusätzlich zu ihrer monetären Misere wird der maroden Metropole neuerdings attestiert, keineswegs die kulturelle Zukunftsbaustelle zu sein, für die sie sich selbst so gerne hält. Ein tendenziell (und warum auch immer) als „cool“ geltender Sender wie MTV kommt da gerade recht. Zumal mit ähnlichen Methoden unlängt erst das Majorlabel Universal von Hamburg an die Spree gelockt wurde – sehr zum Ärger vieler Mitarbeiter. Aber Lohnkostenzuschüsse in Höhe von 28 Prozent sind ein Argument, für das sicher auch ein Unternehmen wie MTV empfänglich ist.
Was gerne als verantwortungsvolle Standortpolitik verkauft wird, folgt längst ehernen Marktgesetzen, wie man sie etwa vom Straßenstrich kennt. Wer zahlt, bekommt den Zuschlag. Und MTV ist eine begehrte Mätresse. Mit MTV macht man keine großen Geschäfte, mit MTV schmückt man sich. Hamburg und München hatten bereits das Vergnügen. Und der Popkomm-Schauplatz Köln ist glücklich mit Viva verheiratet, da geht nix – obschon die Quadratmeterpreise im dortigen „Medienpark“ schon deutlich gesunken sein sollen.
Als „Berlinzwang“ hat Diedrich Diederichsen einmal die unsichtbare Kraft beschrieben, die Menschen und Unternehmen in das schwarze Loch der Hauptstadt saugt. Der Umzug von MTV nach Berlin aber fußt auf betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweier Akteure, die ihren ideellen Mehrwert längst verspielt haben. ARNO FRANK
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