: schneller essen
Als sinnliche Praxis fußt auch der Verzehr von Schokoriegeln auf grundsätzlich zwei Vollzugsmöglichkeiten: der instinkthaft-gedankenlosen oder der der heiligen Handlung. Bei Snickers, dem kompakten Sättigungsziegel aus Erdnuss, Karamell und Schokolade, liegt Erstere gewissermaßen auf der Hand. Man hört aber auch von geduldigen Menschen, deren sanfter Ehrgeiz darin besteht, gewissenhaft von jedem Happen Snickers die Erdnüsse freizulutschen. Das dauert seine Zeit. Schließlich ist Snickers der pazifistische Zwilling von Mars, der bekanntlich mobil macht. Etymologische Studien haben ergeben, dass Snickers zudem ein Kind der amerikanischen Bürgerbewegung ist: 1960 gründete die Afroamerikanerin Ella Baker gemeinsam mit der studentischen Sit-in-Bewegung in Atlanta das Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC), kurz „Snick“ (dt. Kerbe, Ritz) genannt. Die Snickers bekannten sich zum „philosophischen und religiösen Ideal der Gewaltlosigkeit“ und vernetzten Aktionen gegen die Praxis der Rassentrennung; später engagierten sie sich gegen die US-Politik in Vietnam und für die Freiheit der Rede. Mancher Snicker dürfte im Summer of Love versackt sein, nur wenige radikalisierten sich zu Weathermen. Doch wie so viele originelle und subversive Phänomene wurden auch die Snickers als Riegel der marktwirtschaftlichen Produktpalette einverleibt. An die revolutionäre Vergangenheit von Snickers sollten wir heute denken, wenn wir für nichts weiter lutschen als die Freiheit der Erdnüsse. (wird fortgesetzt) EVA BEHRENDT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen