piwik no script img

schmetterballBeachvolleyball im Großraumkino

Frei von sportlichem Wert

Der Olympiahype, den Beachvolleyball in Sydney entfacht hat, wird nun abgefrühstückt. Radikal sogar. Eine Idee, wie geschmacksneutral ein leckeres Rezept zubereitet werden kann, gaben am Wochenende die Indoors auf dem öden Ex-Expo-Gelände in Hannover. Als sportliches Event im Anschluss an die Bilanzpressekonferenz des Touristikkonzerns Preussag getarnt, traten Deutschlands beste Beachvolleyballer ins grelle Scheinwerferlicht. Bunte Moving Lights projizierten Lichteffekte auf die blau gepolsterten Ränge, der Videowürfel unter der Decke zeigte Zeitlupen und Musikvideos, während in den Sky-Boxen besonders engagierte Reisebüroangestellte ihre Gratifikation in Form von Häppchen entgegennehmen durften. Um eine ganz moderne Angelegenheit der Unterhaltungsindustrie handelte es sich also – und um eine ganz ohne sportliche Bedeutung.

Neben den führenden acht Herrenteams der deutschen Rangliste hatten die Veranstalter auch die ersten vier Doppel der Damen eingeladen, eine Auswahl, die theoretisch für hochklassige Begegnungen steht. Doch während die deutschen Meister, Andreas Scheuerpflug und Oliver Oetke, am Samstagnachmittag eine Verletzung bekannt gaben, spielte der Träger der Olympischen Brozemedaille, Jörg Ahmann, gleich das ganze Turnier ohne seinen Edelmetallpartner Axel Hager. Zudem im Herrenfeld: einige Zufallskombinationen und Untrainierte. In der ohnehin verkleinerten Damenkonkurrenz war gleich die Hälfte der Starterinnen merkwürdig: So nutzten Andrea Ahmann und Ines Pianka sowie Gudula Krause und Silke Schmitt die Möglichkeit, früh in der Saison ein sattes Preisgeld einzufahren. Längerfristige Ambitionen sind beiden Teams indes fremd.

Zum ersten Mal präsentierte sich Beachvolleyball bei alledem in Deutschland gegen Eintritt – abseits der Öffentlichkeit und in einem verdunkelten Multifunktionszweckbau. Die Atmosphäre eines Großraum-kinos wurde auch nicht durch die bemühten und altväterlichen Publikums-Belebungsversuche des Moderators verjagt. Sogar während der Ballwechsel herrschte wimbledonhafte Stille, erst anschließend ertönte förmlicher Applaus.

Das Bewegungsprogramm der Herren absolvierte Jörg Ahmann mit Junioren-Europameister Jonas Reckermann und gewann überraschend sogar das Finale gegen Markus Dieckmann und Dragen Slacanin. Auf dem nach den erneuten Regeländerungen des Weltverbandes verkleinerten Feld und mit Tie-Break-Zählweise, brillierte Ahmann wie gewohnt in der Abwehr, während der jugendliche Ersatz-Hager große Momente im Block hatte. Die neuen Regeln zeigten indes die erhoffte Wirkung: Längere Ballwechsel. Bei den Frauen erspielten sich die „ewig Hoffnungsvollen“ Maike Friedrichsen und Danja Müsch sowie Okka Rau und Steffi Pohl die Finalteilnahme und nutzten das erweiterte Training zur Vorbereitung auf das Weltserienturnier in Macao nächstes Wochenende.

Das Positive am Spektakel entdeckte schließlich der Münchner Beachhallenbetreiber Malte Homeyer, der mit seinem Partner Kjell Schneider im Halbfinale scheiterte: „Wenn wir drei oder vier solcher Turniere im Winter hätten, könnten sich mehr Spieler auf Beachvolleyball konzentrieren, was wiederum zu einer Niveausteigerung der deutschen Beachszene führen würde.“ Bei Gesamtkosten von rund 850.000 Mark für die Sandwühlerei in der niedersächsischen Arena dürfte dies allerdings ein frommer Wunsch bleiben.

OLIVER CAMP

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen