rund um das kolumnenwesen: Ein Geburtstagsgruß an Herrn Wowereit
Auf ein Wort
Lieber Herr Werwiewas, zum heutigen 48. Geburtstag möchten wir herzlich gratulieren! Aber fragen wollen wir auch was: Wo haben Sie eigentlich diesen un-glaub-lichen Redenschreiber her, der Ihnen die „Auf ein Wort, Herr Wowereit“-Kolumnen im Berliner Kurier bzw. bei www. berlin.de verzapft? Wo findet man jemanden, der die Kunst des „Gar nichts sagen in 20 Zeilen“ so gut beherrscht?
Verzückt haben wir damals über Ihrer Kolumne gesessen, in der Sie 20 Zeilen gar nichts über die lange Nacht der Museen geschrieben haben: „Liebe Berlinerinnen und Berliner, heute ist wieder lange Nacht der Museen. Alle Museen in Berlin haben die ganze Nacht auf. Darum können Sie wieder die ganze Nacht die Kunstschätze Berlins anschauen“. So oder so ähnlich hieß es in diesem Schmuckstück. By the way, erinnern Sie sich noch an „Die Bundestagsrede“ von Loriot: „Meine Damen und Herren, Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch – ohne darum herumzureden – in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenige Worte zusammenfassen: Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind. Drittens, die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms . . .“
Erinnern Sie sich, Klaus? Nein? Kaum zu glauben, lieber Klaus, wenn man sich Ihre letzte Kolume mal so auf der Zunge zergehen lässt: „Heute bin ich 100 Tage Regierender Bürgermeister von Berlin. Wir haben schon einiges vorzuweisen: Mit der Sanierung der Bankgesellschaft sind wir vorangekommen. Erste Schritte zur Haushaltskonsolidierung sind getan. In der Landesverwaltung, beim Personal und beim Gebäudemanagement wird strikt gespart. Manchen von Ihnen geht das nicht schnell genug. Aber alles auf einmal ist in kurzer Zeit nicht zu schaffen. Zu viel war liegen geblieben in den vergangene Jahren. Ich bin entschlossen, gemeinsam mit Ihnen all die drängenden Probleme zu lösen. Für manches braucht man Geduld. Aber wir scheuen uns nicht, auch heiße Eisen anzufassen. Und wir werden das Tempo noch steigern.“
Sagen Sie mal, Klaus, was steht eigentlich in Ihrem Parteiprogramm? „Es gibt eine Menge zu verändern in Berlin. Manches bleibt aber auch gleich. Die SPD wird sich auch um Probleme kümmern . . .“ Ärzte-Sänger Farin Urlaub hat mal in einem Interview gesagt: „Unsere Texte handeln von Themen.“ Haben Sie es gelesen? Wir hatten schon vermutet, dass Sie Ihren Redenschreiber von einer Grundschulbank wegrekrutiert haben. Oder die Reden aus einem dieser „Reden in der Öffentlichkeit“-Bücher abgespickt haben, in denen Muster für verschiedene Anlässe (Taufe, Hochzeit etc.) vorgegeben sind. Aber die haben ein anderes Niveau.
Wissen Sie was, Herr Werwiewas, jetzt, wo wir drüber nachdenken, dämmert es uns. Da gibt es ja nur eine Möglichkeit: Sie schreiben ihre Reden selber, stimmt’s? Mit freundlichen Grüßen, JENNI ZYLKA
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