rentenbasteleien: Zauberformel für Wahrsager
Die moderne Sozial- und Finanzpolitik hat in jedem Fall einen erzieherischen Effekt: Wer durchblicken will bei Steuer und Rente, muss sich für Mathe interessieren. Genauer: für Formeln. Für Zauberformeln. Die Suche nach einer neuen Rentenpolitik war immer auch die Suche nach etwas Magischem: Wie kürze ich die Rente, dass das erstens nicht so doll auffällt und zweitens die Kürzungen so verteilt werden, dass man sie als einigermaßen gerecht verkaufen kann? Sozialminister Walter Riester hatte noch eine dritte Vorgabe zu erfüllen: Wie kürze ich die Rente so, dass es möglichst anders aussieht als die Kürzungsvorschläge meines Vorgängers im Amt?
Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH
So kam es, dass Riesters erste Neuregelung ziemlich anders ausfiel als der Blüm’sche Rentenentwurf. Vor allem ist er ungerechter – denn mit dem Riester’schen Ausgleichsfaktor würden die heute 35- bis 55-Jährigen nämlich später stärker belastet als die Älteren, die nach dem Jahr 2011 schon lange in Rente sind. Damit gälte für einen Neurentner im Jahre 2030 ein so genanntes Eckrentenniveau von 64 Prozent. Ein Hochbetagter dagegen könnte sich nach wie vor über ein Rentenniveau von über 68 Prozent freuen.
Kein Wunder also, dass sich nach dem Protest der Opposition, der Gewerkschaften und der Versicherungsträger die Anzeichen mehren, dass der Ausgleichsfaktor aus der Rentenreform gekippt und durch eine neue Zauberformel ersetzt wird. Der Vorschlag des Verbandes der Rentenversicherer (VDR) hat dabei mehrere Vorteile: Einmal dämpfen steigende Rentenversicherungsbeiträge das Steigen der Renten. Der Vorschlag ist zudem gerechter gegenüber Jüngeren. Und auch die politische Optik ist schöner: Da laut VDR-Vorschlag vom Jahre 2011 an die Renten für alle Ruheständler und nicht nur für die Neuzugänge abgesenkt werden, könnte das Rentenniveau dann im Jahr 2030 immer noch 67 Prozent für alle betragen. Nach dem Riester-Modell hingegen wären die Neurentner dann schon bei 64 Prozent angelangt – aber eben nur sie. 67 ist nun mal mehr als 64. Die VDR-Idee hat somit Erfolgsaussichten.
Über unsere wirkliche Rente im Jahre 2030 erfahren wir natürlich auch mit der neuen Zauberformel nichts. Und die Rentenexperten müssen selbstverständlich weiterhin so tun, als könnten sie hellsehen. Vermutlich wollen auch die Wähler ein bisschen Wahrsagerei in der Politik. Beim Thema Renten werden sie in den kommenden 30 Jahren auf ihre Kosten kommen.
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