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recherche im nassen von MICHAEL RUDOLF

So kann ein nasser Tag auf Recherche sein. Vom Basiscamp per Bus spiegelglatte zehn Kilometer in die Nachbarstadt, wo auch der Bahnhof steht. Dort „besteht Anschluss mit dem ICE nach Dresden“. Der ICE wird mit 15 Minuten Verspätung angekündigt. Den Autor fröstelt ein wenig. Der Zug kommt 26 Minuten zu spät. Als er dann abfährt, rollt er wie auf rohen Eiern. Warum sich die Verspätung bis nach Dresden auf saubere sechzig Minuten hochjuchtelt, kann die ICE-Begleit-Omi erklären: Die abgeschaltete Neigetechnik sei es. Der Autor überschlägt seinen Zeitplan. Jubel ist ihm fern.

In Dresden stürmt er dorthin, wo er den Busbahnhof vermutet. Doch der ist weg. Der Autor irrt umher. Es stellen sich ihm tausende Regentropfen in den Weg. Auch fährt eben ein Bus nach Dippoldiswalde vorüber. Anhand der Reifenspuren findet er zur Haltestelle. Dem Autor ist feucht. Sein Bus schleicht in Zeitlupe bei Sichtweiten unter einem Millimeter die Serpentinen ins Osterzgebirge hinauf. In Dippoldiswalde setzt ein Wolkenbruch zum Sturm an. Seinen Schirm hat der Autor vergessen. Mit steif gefrorenen Fingern kritzelt er Notizen für seine Auftraggeber auf den Zettel, welche die Regentropfen wieder verwischen. Er könnte sich ja aufwärmen. Nur wo? Die Gastivitäten haben von 14 bis 17 Uhr geschlossen.

Der Autor sieht jetzt wie eine nasse Mülltüte aus. Am Busbahnhof gibt das Personal bekannt, es sei zu nass und glatt für den Bus. Der Tag geht zur Neige. Der Autor hat nur wenige Zigaretten. Dafür hat er viel Hunger. Und durchnässt ist er. Der Bus kommt eine Dreiviertelstunde später. So dürfte der ICE in Dresden kaum zu schaffen sein. Bis Bannewitz hält der Bus durch, dann macht er es wie die roten Lichter vor ihm. Alle zehn Minuten rutscht die Kolonne zwei Zentimeter vor. Nach einer nasskalten Stunde kommt Abwechslung ins Lichtermeer. Die Abwechslung sieht blau aus, flackert rhythmisch und gehört zu einem Toniwagen. Hier gehe es nicht mehr weiter, ein Riesen-Lkw-Unfall, übersetzt der Busfahrer.

Wer aussteigen wolle, bitte. Der Rest könne mit zurück nach Dippoldiswalde reisen. Die Businsassen reden aufgeregt durcheinander. Eine Omi ergreift das Wort: Man fahre jetzt bis Possendorf und von da mit dem Bus nach Freital. Der Fahrer möge kein Theater machen, sondern zügig wenden.

Mitten in der Tundra kommt ihnen ein Bus nach Freital entgegen. Die Fahrer besprechen sich. Die Omi schnappt den aufgeweichten Autor und geleitet ihn in den Freitalbus. Der umfährt im Schritttempo weiträumig den Unfallort. Es könnten Stunden sein, denkt der Autor. Er fröstelt fester Speise, warmen Erfrischungsgetränken und einer überdachten Unterkunft entgegen. In diesem Freital gibt es eine Tram.

Die Omi erklärt die Fahrkartenbeschaffung. Hinter seinem Fiebervorhang macht der Autor alles richtig und steigt auch am richtigen Hauptbahnhof in Dresden aus. Lachend klopft er der Omi ans benässte Straßenbahnfenster, stolpert Bier holen und Fladenbrot, dampft aus allen Poren Tabakdünste – und erwischt den letzten Zug zweieinhalb Sekunden vor Abfahrt.

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