"Lust und Energie" statt Rassismus

■ Die "antifaschistische Fußball-Fan-Initiative" ( AFFI) ist Berlins einziges Fan-Projekt von unten / Zwischen Hooligans und Nazis wird streng getrennt / Vorurteile aus der Kreuzberger Szene

Berlin. „Ein Fußballfan ist noch lange kein Hooligan, und ein Hool noch lange kein Nazi.“ Dieser bemerkenswerte Satz stammt nicht aus der Feder eines vom Senat finanzierten Fan-Projekts, sondern einer Berliner Fußball-Initiative, die sich den Kampf gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit auf die Fahnen geschrieben hat.

Daß es auch unter Linken und Alternativen Fuballverrückte gibt, ist ein offenes Geheimnis. Während der Fußballweltmeisterschaft im Juli 1990 und unter tätiger Mithilfe des Publikumslieblings Kamerun erlebten jene, die bisher im stillen Kämmerchen ihrer Leidenschaft nachgehen mußten, ein plötzliches Coming-out: sie gründeten die „Antifaschistische Fußball-Fan-Initiative“ (AFFI). Noch allerdings standen die Berliner Vereine im Hintergrund, statt dessen wurde der „linke“ Vorzeigeverein FC St.Pauli beim Bundesligadebüt bei Hertha BSC unterstützt. Heute, zwei Jahre später, ist aus der Initiative ein Zusammenhang von 60 bis 80 Fans geworden. Man fährt zu Heimspielen des FC Union Berlin und Auswärtsspielen von Türkiyemspor, redet mit Hooligans und verteilt in den Stadien Flugblätter gegen Ausländerfeindlichkeit.

Im Fußballaden „Anstoß“, dem Vereinsraum der AFFI in der Brunnenstraße 7 in Berlin-Mitte sitzen Jens, Tommy, Fliege und Humphey*. Fliege ist seit Jahren Fan des ehemaligen Stasi-Clubs BFC Dynamo, heute FC Berlin. Tommy steht auf Union und Humphey auf Eishockey. Jens dagegen kommt aus Westberlin, sein Herz schlägt für den Kreuzberger Verein Türkiyemspor. Was sie alle zusammengebracht hat? „Der Spaß am Fußball“, sagt Jens, „wir haben keine Lust, uns von den Rechten diesen Spaß versauen zu lassen“. Jens verweist auf englische Vereine wie Leeds oder Manchester United, deren Stadien von „normalen Fans gegen die Rechten zurückerobert wurden“. Das englische Motto support your local team hängt neben den Vereinswimpeln und Schals deutscher und ausländischer Clubs übergroß an der Wand.

„Das besondere ist“, sagt Tommy, „daß wir als Fans verschiedener Vereine zusammen ins Stadion gehen.“ Was sie allerdings eint, ist die Ablehnung von Hertha BSC. „Dieser Verein wird doch vom Senat nur gehätschelt und getätschelt“, ärgert sich Tommy. Er ist froh, daß aus der Fan-Freundschaft zwischen Hertha und Union kurz nach der Maueröffnung nichts geworden ist. Den Ausschlag gab, so Tommy, die Arroganz der Herthaner gegenüber den Ost-Fans. „Von einem Wessi muß ich mir nicht sagen lassen, ob ich was vom Fußball verstehe“, brummt Tommy, der mit seinem Vollbart und der beigen Lederjacke gar nicht dem Klischee eines leidenschaftlichen Fußballfans entspricht. Tommy ist nicht traurig, daß es in Berlin keinen FC St.Pauli gibt. Für ihn ist der FC Union ein „Verein, wo du ohne Bauchschmerzen hingehen kannst“. Als neulich Türkiyemspor bei Union in der Köpenicker Wuhlheide gastierte, haben die Spieler beider Vereine einen offenen Brief gegen Ausländerfeindlichkeit unterschrieben. „Ausländer raus“-Rufe sind mittlerweile nur noch vereinzelt zu hören, für die AFFI ein erster Erfolg. „Auch die Zusammenarbeit mit dem Vereinsvorstand ist vorbildlich“, ergänzt Jens. „In der Stadionzeitschrift wird gegen Rassimus Stellung genommen, und der Stadionsprecher spart ebenfalls nicht an klaren Worten.“ Als vor einem halben Jahr Mitglieder der Republikaner versucht hätten, Flugblätter zu verteilen, so Jens, wurden sie sogar von den Ordnern rausgeschmissen. Für einen „linken“ Verein wie St.Pauli hält er Union freilich nicht. „Viele Zuschauer verstehen sich schon als rechts, aber von den Nazis haben sie die Schnauze voll.“

Vom Hau-drauf-Gebaren mancher Antifas hält man bei der AFFI weniger. „Damit würden wir die eher noch zu den Nazis treiben“, meint Fliege, der mit seinem Kurzhaarschnitt und der basecap am ehesten wie ein Hooligan aussieht, statt dessen aber für die PDS in der Prenzelberger Bezirksverordnetenversammlung sitzt. „Wenn die nicht in der Horde zusammenhängen, kann man mit den meisten Hools sogar reden“, sagt er. Erst letzten Freitag seien welche in den Laden gekommen und hätten das Gespräch gesucht. „Das war gar nicht so einfach“, erinnert sich Humphey, „weil die auf dem Standpunkt standen, warum dürfen sie keine Nationalisten sein, die türkischen Fans aber ihre Fahne schwenken“. „Erklär das denen mal“, meint auch Jens und berichtet, daß der AFFI im Katzbachstadion bei Türkiyemspor sogar verboten wurde, ein Transparent „Hände weg von Kurdistan“ aufzuhängen. Wie sie damit umgingen? „Wir müssen eben mit den Widersprüchen arbeiten, schließlich ist der ganze Fußball ein einziger Widerspruch.“

Noch widersprüchlicher finden sie allerdings die Arbeit der offiziellen Fan-Projekte. „Da sitzen die Sozialarbeiter zum Teil unter der Reichskriegsflagge in irgendwelchen Läden und erzählen einen gegen Gewalt“, ärgert sich Jens. „Und um 18 Uhr ist dann Feierabend.“ „Wir dagegen“, ergänzt Humphey, „wollen die Fans nicht von der Straße holen, sondern zusammmen mit ihnen unsern Fun haben.“ Gerade die Lust am Spaß sei auch der Grund, warum faschistische Parteien in der Regel bei den Hools abblitzen. „Deren Disziplin-Ding hat mit den Freizeitvorstellungen der Hools einfach nichts zu tun“, meint Humphey.

Zwischen rechten Hooligans und Nazis wird bei der AFFI streng getrennt. „Wenn einer einen Naziaufnäher auf der Bomberjacke hat, kommt er in den Laden nicht rein“, betont Tommy, „genauso wie jeder rausfliegt, der nach ein paar Bier mit sexistischen Sprüchen anfängt.“ Mittlerweile hat die AFFI, zu deren Trägerschaft ein „Verein zur Förderung des internationalen Jugendfußballs“ gegründet wurde, auch einen Forderungskatalog erarbeitet. Die „Kommerzialisierung des Fußballs“ wird darin ebenso kritisiert wie die „Versitzplatzung“ und die „Anlage illegaler Hooligan-Karteien“. Insbesondere die Eintrittspreise sind den Fan-Aktivisten ein Dorn im Auge. „Wenn du mit Türkiyem zu einem Auswärtsspiel fährst, kommt es nicht selten vor, daß türkische Zuschauer das Doppelte an Eintrittspreis zahlen sollen.“ Das sei genauso perfide, meint Jens, wie das Verhalten des „selbsternannten Fanbullen“ der Berliner Polizei, Dieter Schenck. Der hätte nämlich anläßlich des Türkiyem-Spiels in Cottbus die türkischen Fans davor gewarnt, mit der AFFI zusammenzuarbeiten. Schencks Begründung, so Jens: die Mitglieder der AFFI seien allesamt Autonome aus Kreuzberg. „Das blöde ist nur“, sagt Tommy, „wenn du mit 'nem Unionschal in Kreuzberg rumläufst, kriegst du eins aufs Maul, während du mit 'nem St.Pauli- Schal ein Bier spendiert kriegst.“ Aber an die kleinen Niederlagen hat man sich ebenso gewöhnt wie an die großen. „Wenn man bei der AFFI wirklich etwas lernen kann, dann ist es das Verlieren und dabei auch noch lachen zu können“, grinst Fliege. „Im Grunde sind wir doch nichts anderes als eine Brigade für Lust und Energie.“ Uwe Rada

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

Die AFFI trifft sich jeden Mittwoch um 17 Uhr in der Brunnenstraße 7, O-1054 Berlin, U-Bahnhof Rosenthaler Platz