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"Lieber bissiger"

■ Interview mit einem Kommunarden und Ur-Abonnenten

taz: Hand aufs Herz. Wie oft habt ihr in den vergangenen fünfzehn Jahren erwogen, die taz abzubestellen?

Wilfried Leupolz: Das stand nie zur Debatte. Wir haben uns nach einer Weile sogar entschieden, zwei tazzen zu abonnieren, weil es in der Mittagspause immer so ein Gerangel um das eine Exemplar gab.

Habt ihr euch im Laufe der Zeit auch so verändert wie die taz?

Mindestens. Wir sind ein Produkt der Nach-68er-Zeit und kommen aus dem politischen Spektrum von Sozalistischem Büro und K- Gruppen. Früher haben wir uns die Köpfe darüber heiß geredet, ob es zulässig ist, einen Betrieb aufzumachen, oder ob man dann automatisch Kapitalist wird. Wir haben die Grünen lange von links kritisiert, waren mehr Sozialökonomen als Ökologen. Später ist die Ökologie für uns – genauso wie für die taz – sehr wichtig geworden. Und der Wandel zum professionellen Projekt hat sich bei euch ja auch Schritt für Schritt vollzogen. Auf dem Finkhof war es anfangs völlig undenkbar, Angestellte zu beschäftigen. Inzwischen hat die Genossenschaft auch Arbeitgeberfunktionen. Wirtschaftlich stehen wir im Unterschied zur taz vielleicht ein bißchen besser da.

Hast du dich oft über die taz geärgert?

Und wie. Wir sind sehr in der Nicaragua-Solidaritätsbewegung engagiert und haben früher auch bei der Aktion „Waffen für El Salvador“ mitgemacht. 1983 war ich im Rahmen eines Austauschprogramms in Managua und habe dort sehr genau die Nicaragua-Berichterstattung der taz verfolgt. Die Berichte stimmten oft überhaupt nicht mit meiner Wahrnehmung überein.

Verzichten wolltest du auf das Blatt aber trotzdem nicht?

Niemals. Denn es gab und gibt zur taz keine Alternative.

Was für eine Funktion hat die taz für landwirtschaftliche Betriebe wie den euren?

Die taz ist unsere dritte Tageszeitung. Als einzige Zeitung würde sie nicht befriedigen. Daneben haben wir noch eine lokale Zeitung abonniert und die Süddeutsche. Die taz ist für uns ein Kommunikationsorgan, was in der Alternativszene gedacht wird.

Wird sie dieser Funktion wirklich gerecht?

Es könnte wesentlich besser sein, aber sie ist nun mal ohne Konkurrenz.

Empfindest du die taz als zu bieder und staatstragend?

Die linksalternative Szene ist bieder und staatstragend geworden und die taz damit natürlich auch. Eine radikalere, bissigere taz, die mehr Farbe bekennt, was in diesem Staat Sache ist, wäre mir natürlich lieber. Um ein Beispiel zu nennen: Große Teile der Grünen wollen eine Regierungskoalition eingehen. Die taz macht dabei ordentlich mit, statt kritisch zu bleiben.

Du bist demnach gegen eine rot- grüne Koalition auf Bundesebene?

Nein, denn besser als die jetzige Regierung wäre dies schon. Aber man darf sich nicht der Illusion hingeben, daß sich dadurch etwas an den grundlegenden ökologischen Problemen und der Beziehung zur Dritten Welt ändern würde.

Wann ist die taz am besten?

Immer dann, wenn die anderen Muffe bekommen und sie sich Mühe gibt und Zeit für ein Thema nimmt. Auf Anhieb fällt mir die Berichterstattung über die RAF und die Bad-Kleinen-Geschichte ein oder die Kurden. Dann ist die taz im Verhältnis zu anderen Zeitungen einfach Spitze. Aber das Geschäft des aktuellen Tagesjournalismus beherrscht ihr nicht. Da sind die anderen einfach schneller und besser.

Was hältst du von der Ökologie- und Ökonomieberichterstattung?

Euer Wirtschaftsjournalismus ist wenig fundiert. In der Ökologie seid ihr mutiger als andere Zeitungen, aber die taz ersetzt auch nicht Zeitschriften wie Ökotest. Die sozialökologische Debatte kommt viel zu kurz.

Seid ihr in eurer Kommune noch politisch aktiv?

Einzelne schon. Wir kämpfen gegen Ausländerfeindlichkeit und bauen zur Zeit gerade ein Bildungsprojekt für Leute aus der Dritten Welt auf. Und ein altes Mitglied kämpft für „Legalize it“ (lacht).

Willst du mit den Schafen alt werden?

Es sieht beinahe so aus, unser Betrieb funktioniert sehr gut.

Links sein, was bedeutet das für dich heutzutage noch?

Noch Utopien zu haben. An eine demokratische, multikulturelle Gesellschaft zu glauben, in der nicht einer von der Arbeitskraft des anderen lebt, und dafür auch einzutreten.

Habt ihr diese Vorstellungen in der Schäfereigenossenschaft Finkhof im kleinen realisiert?

Das kann ich nicht behaupten, aber wir kämpfen darum.

Interview: Plutonia Plarre

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