: "Esoterisches Künstlerschwein"
■ Bei der Kreuzberger Galerie Interglotz wurde wegen vermeintlich esoterischer Kunst die Scheibe eingeworfen. Der Galerist ist ein ehemaliger Hausbesetzer
„Ach wie gemein, es flog der Stein. Die Scheibe kracht; der Pöbel lacht. Nein, Künstler merke Dir, schuld war weder Korn und Bier, sondern, daß man Dich entdeckte auf der Liste einzuscheißende Objekte“, Zeilen aus einem Bekennerschreiben, das bei dem Galeristen Rainer Warzecha einging. Eingeworfen wurde die Schaufensterscheibe der Galerie „Interglotz – Visionen“ in der Oranienstraße vor kurzem bei einer Solidaritätsdemonstration für Ausländer.
Rainer Warzecha, Inhaber der Galerie und überzeugter Linker, befestigte daraufhin ein Schreiben neben der geborstenen Scheibe, in dem er auf seine miserable finanzielle Lage hinwies – die Scheibe war nicht versichert; er selbst hält sich mit dem Verkauf seiner Bilder notdürftig über Wasser. Wenige Tage später fand Warzecha, der die Täter in der autonomen Szene vermutet, die Bekennerpost in seinem Briefkasten. Darin wird dem Galeristen mit einem weiteren Anschlag gedroht. Als Motiv für den Steinwurf gibt der anonyme Verfasser des Schreibens an, es handle sich bei dem Galeristen um ein „esoterisches Künstlerschwein“.
Als Esoteriker will der ehemalige Hausbesetzer nicht verstanden werden, auch wenn er in seinen Werken manchmal religiöse Themen verwendet. Das attackierte Gemälde im Schaufenster zeigte einen blauen Körper, in dem astrologische Strukturen erkennbar sind, die von flammenähnlichen Gebilden umgrenzt werden.
Mit Rainer Warzecha haben die Bilderstürmer einen Künstler getroffen, der seit 15 Jahren in Kreuzberg lebt. Als 20jähriger schloß sich der Soziologiestudent der Kreuzberger Hausbesetzerszene an. Er bemalte die Fassaden des Kunst und Kultur Zentrums Kreuzberg (KuKuCK). Kreativ und konstruktiv wollte er gegen herrschende Mißtände mobil machen. Dieser Einstellung ist er bis heute treu geblieben. In seiner vom ihm finanzierten Galerie in der Oranienstraße gibt er Künstlern eine „Anlaufstelle für Projekte, die sozial eingebettet sind“. Warzecha will kein elitärer Künstler sein. „Ich habe nur Sachen gemacht, die in einem von mir vertretbaren Kontext von Kultur und Ökologie stehen.“ Warzecha engagiert sich in Lehmbau- und Graffitiprojekten mit Jugendlichen und will dazu beitragen, eine friedlichere Umwelt ohne Feindbilder zu schaffen. „Diese diffuse Gewalt in Berlin kotzt mich an.“
Warzecha will nicht anklagend den Zeigefinger erheben, vielmehr stimmt ihn der Anschlag traurig. „Die Leute sollen einsehen, daß es das falsche Angriffsziel war.“ Maximilian Stelzle
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