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"Äußerst mißlich"

■ Hamburgs SPD-Vorstand reagiert verhalten auf Engholms Wende in der Asyl- und Militärpolitik

reagiert verhalten auf Engholms Wende in der Asyl- und Militärpolitik

Kein entsetzter Aufschrei, eher ein säuerliches Pochen auf die Einhaltung der Form. Hamburgs SPD- Landesvorstand reagierte gestern äußerst verhalten auf die Empfehlungen seiner Bonner Spitzenpolitiker, sozialdemokratische Grundsätze zum Asylrecht und zu militärischen Einsätzen der Bundeswehr über Bord zu werfen. Die Änderung der bisherigen SPD-Politik bedürfe der Beschlußfassung auf einem Bundesparteitag, heißt es in einer Pressemitteilung des Parteichefs Helmuth Frahm.

Noch bei ihrem Sonderparteitag im Mai hatte sich die Hamburger SPD nach stundenlanger Grundsatzdiskussion mehrheitlich zur Unantastbarkeit des Grundrechts auf Asyl bekannt, allerdings gegen die Stimme ihres Ersten Bürgermeisters. Henning Voscherau hatte seine Parteifreunde schon damals auf neuen Kurs bringen wollen, plädierte für eine Einschränkung des Artikels und wußte auch schon, was passieren würde, wenn die SPD sich gegen sein Votum entscheiden würde: „Wenn heute zu kurz gesprungen wird, muß nachgearbeitet werden.“

Diese Aufgabe haben jetzt die Bonner Parteifürsten übernommen, ohne die Landesparteien auch nur ansatzweise zu beteiligen. Weder Voscherau noch Hamburgs SPD- Chef Helmuth Frahm waren zu der entscheidenden Klausurtagung eingeladen worden. Das Vorpreschen der Parteispitze wertet Frahm als „äußerst mißliches“ Vorgehen. Er fordert einen Sonderparteitag zu den anstehenden Grundgesetzänderungen spätestens im September und befürchtet jetzt „Motivationsprobleme“ an der sozialdemokratischen Parteibasis.

Die meldete sich gestern zunächst in Form der Eimsbütteler Jusos zu Wort, die ihre Presseerklärung weitaus deutlicher formulierten als der Landesvorsitzende: „Leichtfertig und ohne vernünftigen Grund werden hier Essentials unserer Verfassung preisgegeben.“

Den beiden Protagonisten des Asylstreits in der Hamburger SPD, Werner Hackmann (pro Asylrechtsänderung) und Ortwin Runde (contra), wollten sich gestern nicht zu dem Bonner Beschluß äußern. Und auch Henning Voscherau hielt sich zurück. „Warum sollte er sich äußern,“ fragte Senatssprecher Franz Klein, „seine Auffassung wurde doch voll bestätigt.“

Uli Exner

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