protest gegen die npd: Zivilgesellschaft als Alibi
Ach was ist Berlin doch für eine tolerante Stadt. Da mobilisiert die NPD zum größten Rechtsextremistenauflauf seit 1945, und was passiert? Sie laufen ungehindert.
Kommentar von GEREON ASMUTH
Zwar riefen Antifagruppen zum Protest. Die PDS unterbrach ihren Parteitag. Die Jüdische Gemeinde zeigte Präsenz. Die Bezirksverordnetenversammlung ließ einen Aufruf kleben unter dem Motto „Mitte stellt sich quer“ mit der Ankündigung „Wir werden es nicht zulassen, dass die NPD ihre dumpfe Geschichtsleugnung provokant demonstriert.“ Und Tausende nahmen das ernst und wollten sich couragiert in den Weg stellen. Nur konnten sie das gar nicht.
Denn Polizei und Innenverwaltung hatten schon zuvor mit der NPD eine andere Demonstrationroute vereinbart, bis zum Schluss geheim gehalten und weiträumig abgesperrt. So verkam der von oben propagierte Aufstand der Anständigen zur bloßen Alibiveranstaltung, während die Nazis wenige hundert Meter von der Neuen Synagoge entfernt wie abgesprochen durchs Viertel grölen durften.
Dabei kann man solche Aufmärsche unterbinden. Wenn schon nicht durch Verbote, was laut Innenverwaltung angeblich nicht möglich ist, dann durch die viel propagierte Zivilgesellschaft, die ihnen entgegentritt. So wie am Alexanderplatz vor einem Jahr. Oder wie in Leipzig vor wenigen Wochen. Das erfordert Mut von den politisch Verantwortlichen und von der Polizeiführung.
Doch die Politprominenz versteckte ihr Gesicht in der Wehrmachtsausstellung. Und die Polizei hat sich quer gestellt, mit Ketten, Pferden, Hunden und Wasserwerfern. Gegen Rabbiner, die sich selbst am heiligen Sabbat gezwungen sahen, auf die Straße zu gehen. Gegen junge und alte Antifaschisten. Und gegen Normalbürger, selbst wenn sie nur nach Hause gehen wollten. Alles nur, damit Nazis ungestört marschieren dürfen. Welch unerträgliche Toleranz.
brennpunkt SEITE 7, berlin SEITE 22
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