press-schlag: Frühe Furcht
Schon jetzt stellt sich die Frage, ob man den Bayern zum Titel gratulieren soll. Auch im Keller scheint alles klar
Es ist Spieltag vier und doch droht schon der Wind der Langeweile die Blätter vom Baum der Hoffnung zu wehen: Zu stark sind im Vergleich zum letzten Jahr die Bayern, zu schwach die beiden Aufsteiger. Es ist, wie es all die Jahre zuvor gewesen: Es ist nur die Frage, ob sich die Gewissheit, dass der FCB Meister wird, vielleicht ein klein wenig erschüttern ließe. Nach 20 Pflichtspieltoren innerhalb einer Woche lässt sich aber sagen: wahrscheinlich nicht vor Weihnachten.
Das einzige, was ansatzweise Hoffnung macht, ist ausgerechnet der neue Spielstil der Bayern: dieses laufintensive Pressing, das die Gegner mehr niederringen als niedertaktieren soll, ist hoffentlich körperlich zu zehrend, um es die komplette Saison über ohne Einbrüche zu praktizieren. Gegen Zagreb hat man dann nach der Pause gesehen, dass doch noch eine gewisse bajuwarische Pomadigkeit in der Mannschaft steckt, sobald sie den Zug rausnimmt. Andererseits spielen alle Teams, die den Bayern gefährlich werden könnten, selbst in der Champions League, und angesichts der Flut an Spielen entscheidet am Ende wohl die Kaderbreite über die Platzierung. Da bleibt den Bayern dann vor allem ein Konkurrent: Leverkusen.
Nächste Woche schon treffen die beiden aufeinander, was einerseits ungünstig ist: Bayern ist voll im Flow, Bayer hingegen ruckelt sich gerade zusammen; andererseits sind so früh in der Saison die Spieler noch topfit, was Hoffnung macht auf ein intensives Topspiel. Auch wenn man Bayern nicht mag, wird man zugeben müssen, dass Vincent Kompany immerhin – tief ein- und ausatmen – einen interessanten Fußball spielen lässt.
Die Woche startete übrigens gegen Holstein Kiel, ein sauberes 6:1. Kiel hat in vier Spielen schon 13 Gegentore kassiert, und angesichts der bisherigen Abwehrleistungen stellt sich die Frage, ob sie überhaupt vorhaben, einmal zu null zu spielen. Vielleicht gegen St. Pauli, das ein Tor in drei Spielen gemacht hat.
Natürlich sind Prognosen nach dem vierten Spieltag Fantasie und Schneegestöber, und streng genommen sind es auch keine Prognosen, sondern Befürchtungen. Befürchtungen, dass der größere Trend – befeuert durch Fernsehverträge, die CL-Reform, explodierende Ablösesummen – einer immer statischer werdenden Bundesliga sich auch dieses Jahr manifestiert. Und gerade bei St. Pauli hätte man doch gern gesehen, was der Ex-Trainer Fabian Hürzeler aus den Spielen herauszupressen gelungen wäre: Aber auch der folgte dem Pfad der größeren Möglichkeiten und rockt jetzt mit Brighton & Hove die Premier League.
Frédéric Valin
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