press-schlag: Karussell der Kandidaten
Wie den Schmerz der englischen Fußballnation heilen, das Trauma besiegen? Ein paar Ideen gibt’s
Im Jahr 2026 jährt sich der letzte Titel für das Mutterland des Fußballs zum 60. Mal – und wieder wird die Hoffnung da sein, den Bock umzustoßen, und warum nicht in der ehemaligen Großkolonie, den jetzigen USA? Doch noch steht die Nation mit den Three Lions auf dem Shirt ohne Trainer da. Wer kann Englands Trauma endgültig bewältigen, wer hat Mumm, Vision und Strategie, die vielen years of hurt zu beenden?
Gehandelt werden nach Gareth Southgates erstaunlich lautlosem Rücktritt nach dem verlorenen EM-Finale so einige Namen, sehr viele Prominente, sogar Deutsche sind unter den Opfern. Wie die Sun erfahren haben will, ist unter den illustren Kandidaten auch Jogi Löw, derzeit lustiger Privatier mit Zeit und Muße. Bei der Euro hat er es sich nicht nehmen lassen, sich neben dem TV-Experten und Weltmeister Christoph Kramer auf diversen Tribünen zu zeigen; wobei Southgate mithin die einzige lame duck unter den großen Nationen war. Aber Löw, seriously? Seine letzte gute Tat datiert vom Sommer 2014, danach hat er es nicht geschafft, den Erfolg am Leben zu halten; stattdessen wuchs nur die Bräsigkeit, unter der das DFB-Team noch bis Ende 2023 zu leiden hatte.
Aber ja, es ist Sommerpause, das Loch zwischen EM-Finale und Olympia will gestopft sein, auch auf den gar nicht so vielen Sportseiten der Zeitungen. Also wird wild spekuliert, und jeden Tag taucht ein neuer Name auf. Es sind aktive Trainer dabei wie Ange Postecoglu (vom weiter titellosen Tottenham; da wäre abzuraten), Eddie Howe (Newcastle United), Pep Guardiola (Manchester City), Steven Gerrard (Al Ettifaq) sowie die vereinslosen Graham Potter, Thomas Tuchel, Frank Lampard und Mauricio Pochettino. Natürlich taucht auch der große K in der Gerüchteküche auf – Jürgen Klopp, der eigentlich mindestens ein Sabbatical einlegen will.
Die schlechte Nachricht ist: Vincent Kompany ist schon vergeben. Ja, richtig, dieser Spekulationszirkus erinnert an den FC Bayern, und es bleibt spannend, ob der englische Fußballverband FA genauso seine Liste wird abarbeiten müssen. Abgesagt hat bis jetzt niemand, auch wenn Guardiola beispielsweise noch einen Vertrag hat. Da würde Geld fließen müssen. Neben Löw soll sich auch Tuchel bereits in Position gebracht haben – für ihn wäre das kein schlechter Move. Den FC Chelsea durfte er auch kurzzeitig zum Champions-League-Sieg coachen, bis ihn die Mühen der Ebene auffraßen.
Und vielleicht sind Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick tatsächlich leuchtende Vorbilder – beide profitieren von Stressreduzierung, die Verbände vom geballten taktischen und strategischen Wissen. Und ein Finale Nagelsmann gegen Tuchel nach 60 Jahren des Schmerzes, das hätte doch was.René Hamann
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