press-schlag: Sex and Crime und das bisschen Moral
Wichtig ist das Drumrum
„Wichtig ist auf’m Platz“ ist tot. Keine Mannschaft weit und breit, die es versteht, ihr Spiel so konstant zu gestalten, dass es dazu reichen würde, sich vom Durchschnitt abzusetzen. Die meisten Teams können technisch (Leverkusen), körperlich (Bayern) oder geistig (HSV) nicht mehr, andere sind glücklich den Abstand durch die Unfertigkeiten anderer noch nicht völlig verloren zu haben (Dortmund). Möchte eigentlich jemand Meister werden?
Schließlich aber kommt die verwunschene Schale automatisch auf eine Mannschaft zu. Und dann ist das Gejammer groß, denn es drohen wieder konditionell überbeanspruchende Champions-League- und Uefa-Cup-Spiele gegen böse Gegner, die sowieso viel besser sind. Und dann wird man wegen der viel zu vielen Spiele auch noch von den Fans vernachlässigt, denen die zusätzlichen Belastungen ihrer Mannschaft herzlich egal sind.
Zeit um angespannte Nerven am Gegner auszulassen: spucken, schlagen, kratzen und anschließend jammern. Jammern über zuviel Ungerechtigkeit auf dem Grün. Der Schiedsrichter ist schuld, oder vielleicht doch die Eckfahne, die mit ihrer grellen Signalfarbe die Sicherungen durchknallen lässt. Genügend Mikrofone, um Halbwahrheiten, moralische Donnerschläge oder Entschuldigungen zu verbreiten, sind ja vorhanden. Die nehmen gerne auf, was drumherum so rumort. Ist ein Revanchefoul an Viktor Agali fremdenfeindlich? Trägt Mario Basler Strapse drunter? Sind in Cottbus alle Nazis? Sex and Crime und das bisschen Moral. Wenigstens das ist spannend, wenn auf dem Feld nur schlecht gespielt und unansehnlich gefoult wird. Da bleibt selbst Martin Pieckenhagen nur die Flucht nach vorn: „Diese Emotionalität kommt beim Fußball nun einmal vor. Das gehört dazu.“ Die Meute freut’s. Die Sender auch. Die brauchen kaum mehr zu dramatisieren. Eine Hinrunde ganz im Geschmack der Quoteneiferer. Der Fußball schlecht, die Storys gut. Da bleibt die kleine Hoffnung, dass der Fußball bald so stupide wird, dass selbst der Lichtfigur Franz Beckenbauer mal etwas Medienwerksames passiert, damit es ein bisschen spannender wird. Uneheliche Vaterschaften reichen da nicht aus, das macht doch eh schon jeder.
Ein Gutes hat diese Saison dann aber doch noch: Wenigstens im Ruhrpott bleibt die Aussicht auf blauweiße Weihnachten, die viele Antichristen und Fußballfans in den kommenden Festtagen vereinigen wird.
OKE GÖTTLICH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen