press-schlag: Balzer suspendiert, Baumann ante portas
Nationalisierung des Dopings
Lieber Leser, seien Sie bloß vorsichtig. Nandrolon lauert überall, keineswegs nur in der Zahnpasta. Der falsche Belag auf dem Frühstücksbrötchen, zack, schon sind Sie positiv. Nandrolon nämlich lauert vor allem in der Nahrung. Zumindest wenn man Sportlern glaubt wie dem gewichtigen Kugelstoßer C. J. Hunter, dem Radler Andreas Kappes oder dem Ringer Alexander Leipold. Der letzte, den es nun erwischte, ist der Hürdenläufer Falk Balzer. Mehr als das Fünffache des erlaubten Nandrolonwertes wies der Urin des 27-Jährigen bei einer Trainingskontrolle am 19. Januar auf, am Donnerstag wurde Balzer vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) suspendiert. Der Anwalt des Läufers bemühte bis gestern noch nicht die gängige Theorie der kontaminierten Sportlerkraftnahrung, sondern verlegte sich auf vertauschte Proben. Es dürfte aber nicht lange dauern, bis auch hier Kreatin oder ein anderer legaler, aber mit Nandrolon verseuchter Stoff ins Spiel kommt und damit die Frage, ob das Doping unwissentlich geschah und wer dann dafür verantwortlich ist.
„Warum nehmen Athleten diese Stoffe trotz aller Warnungen“, fragt verzweifelt Clemens Prokop, Vizepräsident Recht des DLV. Die Antwort war schon beim Fall der jugendlichen Speerwerferin Carolin Soboll vor einigen Wochen offensichtlich. Sie kenne auch in ihrer Altersgruppe keine Athleten, die nicht zum umstrittenen Kraftfutter griffen, erklärte diese unverblümt, anders könne man unmöglich mithalten. Mit bassem Erstaunen reagierten die 19-Jährige und ihr Trainer auf den Gedanken, dass die Athleten für die Reinheit der von ihnen konsumierten Nahrungsmittelzusätze verantwortlich seien. Unterstützung bekam Soboll vom DLV, der sie wegen Unwissenheit freisprach. Auf ähnliche Weise kamen auch Sportler in anderen Ländern, maßgeblich England, davon, ein Schlupfloch, das inzwischen rigoros ausgenutzt wird. Auf dem Schwarzmarkt werden nandrolonhaltige Kraftnahrungen angeboten, bei denen das Anabolikum absichtlich nicht deklariert ist, so dass der Athlet hinterher behaupten kann, er habe von nichts gewusst. Der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) hält denn auch nichts von der Unwissenheitstheorie und suspendierte Carolin Soboll bis zur Verhandlung bei der IAAF im März.
Die Zunahme der Nandrolonfälle in Deutschland zeitigt eine kuriose Nebenwirkung. Während früher die nationalen Verbände anderer Länder von deutscher Seite heftig angegriffen wurden, wenn sie ihre dopingverdächtigen Sportler freisprachen, und vehement die Schaffung unabhängiger internationaler Schiedsgerichte gefordert wurde, läuft die Sache inzwischen umgekehrt. Am weitesten ging jetzt Wolfgang Schoeppe im Fall des sowohl von der IAAF als auch vom unabhängigen Internationalen Sportgerichtshof (CAS) für zwei Jahre gesperrten Dieter Baumann. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des DLV vertritt im Prinzip die Position, dass ausschließlich der nationale Verband das Recht habe, über die Sperre eines Athleten wie Baumann zu befinden, und erteilte dem Läufer die Startgenehmigung für die Deutschen Hallenmeisterschaften an diesem Wochenende in Dortmund. Gestern tagte das DLV-Präsidium, um über einen Einspruch gegen diese Entscheidung zu befinden.
Zu Recht befürchtet man im DLV harte Konsequenzen seitens der IAAF für den internationalen Wettkampfbetrieb. Ebenso wie Baumann hatten auch der Ringer Leipold und der Radfahrer Kappes bei den Verbandsgremien trotz positiven Dopingbefundes das nationale Startrecht erwirkt und ihre Verbandsspitze damit schwer in die Bredouille gebracht. Der Ringer-Weltverband drohte mit dem Ausschluss aller deutschen Athleten von internationalen Wettkämpfen sowie Entzug der WM, und nach den Regeln der IAAF müssen alle Sportler mit Sanktionen rechnen, die an einer Veranstaltung teilnehmen, bei der ein gesperrter Athlet antritt. MATTI LIESKE
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