press-schlag: Der Kölner Torrekord oder Was vom Spieltag übrig blieb
Die Inszenierung des Nichts
Jörg Wontorra kündete von Großem. „Sehen Sie sich das noch mal an“, frohlockte der Sat.1-Mann. Und was zeigten die Schausteller von „ran“ dann zum Abschluss ihres Vorabendprogramms? Sellimis wundersame Brust-Ballannahme mit anschließendem Tor gegen Leverkusen? Elbers brillante Hackentrick-Vorlage zum Eingriff der Bayern ins Meisterschaftsrennen? Nein. War doch nur der Cichon, der nach einem katastrophalen Abwehrfehler zum Schuss kam. Und traf.
Aber: Was heißt hier nur? Cichon hat ins Tor getroffen! Für den 1. FC Köln! Rekord! Nach 1.033 Minuten! Und für all diejenigen, die nicht glauben wollen, welch epochales Ereignis gerade zu bestaunen war, für diejenigen wird noch Peter Neururer (bisheriger Rekordhalter) vors Mikro gezerrt. „Ich bedanke mich dafür, dass ihr den Rekord übernommen habt.“
Auf dem Plakat eines Kölner Fans war zu lesen: „Danke für nichts!“ Das ist zunächst das rein fußballerische Problem. Einerseits. Andererseits muss selbst das Nichts inszeniert werden. Und das wird dann zum medialen Problem.
Tatsächlich ist es doch so, dass man an diesem 25. Spieltag wirklich nur in Freiburg hätte sein wollen, um Fußball goutieren zu können. Neben dem Qualitätsmangel beschränkt auch der Beweggrund Spannung ja mittlerweile den Stadiongang. Neun Spieltage vor Saisonende ist doch alles schon ziemlich klar: Wer steigt neben Köln und St. Pauli ab? Wird sich schon noch einer finden. Und die internationalen Fleischtöpfe? Gilt das Gleiche.
Das Prickelnde reduziert sich weitgehend auf die Frage der Meisterschaft. Rein mathematisch ergibt das maximal drei Partien pro Spieltag – immer vorausgesetzt, Leverkusen, Dortmund und München spielen nicht gegeneinander. Es geht natürlich nicht, dass der Rest einfach unter den Tisch fällt. Also muss der Rest stilisiert werden – mitunter als Seifenblase. Übrigens ein Grund, warum Kirchs Premiere-Welt zerbröckelt: Die Sado-Maso-Szene um Vereine wie den 1. FC Köln ist schlicht zu klein, als dass sie für das Bezahl-TV Gewinne einfahren könnte.
Aber zurück zum 1. FC Köln und den „historischen Momenten“ dieses Spieltags. Energie Cottbus ist Spitzenreiter – wow! – bei den Gelbsperren (sieben) in einer Saison. Freiburg hat einen Vereinsrekord aufgestellt – 454 Minuten ohne Tor. Und Oliver Reck erst: Schon 15 Minuten vor Abpfiff – das ist Weltrekord für Torhüter in gegnerischen Strafräumen.
Ein Weltrekord, der zu überbieten ist, oder? Herr Pröll, bitte übernehmen Sie am nächsten Spieltag. Garantiert bleibt der 1. FC Köln dann weiterhin Topthema der Liga. THILO KNOTT
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