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post aus tallinnCorinnas Füße

Tuntenwandern

Für Damen ist Tallinn das beste Pflaster nicht. Kopfstein noch und noch. Autos brauchen Stoßdämpfer. Eine Errungenschaft, die auf Pömps auszudehnen der Schuhindustrie bislang misslungen ist. Was bedeutet: Die stolzen Tunten, die sich „Sestre“ nennen und gegen den Protest der konservativen Landbevölkerung für ihr Land Slowenien ein spektakulär langweiliges Lied („Wahres Lied“) singen, leiden unter der Altstadt sehr.

Wenn auch Corinna May schon aus Gründen des Fürsorge-, besser Abschirmprogramms (keine unverabredeten Fragen, keine kritischen Einwände, sonst wird das Interview abgebrochen) nicht stöckelt, haben die Slowenen ein entwürdigendes Turnschuh-Prozedere nicht mitgemacht: Lieber wanken und schlingern sie auf ihren Zwölf-Zentimeter-Absätzen, als in Sneakers die Welt zu erobern. Marlena, Daphne und Emperatrizz (die Modenamen demnächst in der Tuntenszene) sagen nur: „Wir sind überall Damen – auf jedem Pflaster – in Tallinn – in Slowenien.“ Als sie dies in der Grand-Prix-Disco einem Reporter ins Mikro diktierten, brandete spontan Applaus auf: Menschen mit Haltung – die sind auch beim Eurovision Song Contest nicht häufig anzutreffen.

Corinna May probte im Übrigen gestern zum zweiten Mal. Und es stimmte mal wieder alles, sogar die Einsätze der Choristinnen wirkten wie zufällig, aber präzise. Die Sängerin jedenfalls gibt sich frohgemut: „Ich habe nichts zu verlieren.“ Was als Wahrheit unübertroffen bleibt – denn Ralph Siegel beteuerte gestern: „Das ist mein letzter Grand Prix.“ Erstmals hat er diese Formulierung 1982 gebraucht – bevor Nicole „Ein bisschen Frieden“ zum Triumph liedermachte.

Und das Wetter? 25 Grad im Schatten, auffrischende Winde. Es soll regnen.

JAN FEDDERSEN

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