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portraitDer TV-Provokateur

Am Freitag darf sich Jan Böhmermann einen Grimme-Preis abholen. Seinen zweiten, für seinen #Varoufake-Coup. Bei dem behauptete er Anfang 2015, er habe den Stinkefinger des griechischen Finanzministers in ein Video montiert. Diverse Medien hatten sich über den Stinkefinger aufgeregt, wollten Gianis Varoufakis am Ring durch die Manege ziehen. Und Böhmermann setzte diesem Treiben für ein paar Stunden ein Ende und verunsicherte die Verunsicherer. „Böhmermann hat nicht nur die Inszenierungsmechanismen der Boulevardindustrie entlarvt, ihm gebührt auch das Verdienst einer großen Medienkritik“, heißt es in der Begründung der Jury (in der auch der Autor dieses Textes saß).

Dieser Grimme-Preis ist zugleich auch so etwas wie ein Preis für sein Lebenswerk. Ja, Böhmermann ist erst 35 Jahre alt und sieht aus wie 17, aber niemand hat in den letzten Jahren das Fernsehen so sehr verändert wie der Junge aus Vegesack. Keiner wirkt so sehr über die eigenen Sendungen („Neo Magazin Royale“ und „Schulz & Böhmermann“ im Fernsehen sowie „Sanft & Sorgfältig“ im Radio) hinaus wie er. Böhmermann und seine Bild- und Tonfabrik haben die Grenzen des Fernsehens konsequent verschoben, sie nutzen soziale Medien, um soziale Verwirrung zu stiften. Das bewies der #Varou­fake, das bewies sein Rapsong „Ich hab Polizei“, das bewies sein an Rammstein angelehntes „Be deutsch“, und das beweist nun auch sein Schmähgedicht auf Recep Tayyip Erdoğan.

Dass Letzteres vom ZDF gelöscht wurde, ist eher Teil des Spiels denn böse Zensur des Systemsenders. Denn was wäre ein Provokateur wie Böhmermann ohne Gegenwind? Nichts.

Dabei macht er sich nur auf der Bühne angreifbar – und hält sich ansonsten raus. Man weiß: Er hat Kinder, er lebt in Köln, sein Vater war Polizist und ist früh verstorben. Aber er gibt immer nur so viel preis, wie er für seine Rolle braucht. Mehr nicht. So schützt er sich. Denn Böhmermann hat schon ­häufiger gesagt, dass es ihm ­davor graust, womöglich eines Tages auf­zuwachen und nur noch die Kunstfigur Böhmermann im Spiegel zu sehen.

Jürn Kruse

Gesellschaft + Kultur SEITE 14

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