portrait: AnonymerFußballdoper
Seine Existenz wird vehement bestritten. Den dopenden Fußballer gibt es eigentlich nicht! Das sagen zumindest Fußballer und Exfußballer. Viel zu komplex sei die Sportart, erklärten im Frühling noch VfB Stuttgarts Sportdirektor Robin Dutt, TV-Experte Mehmet Scholl oder Trainerguru Jürgen Klopp unisono, als der Freiburger Dopingforscher Andreas Singler kundtat, es lägen Dokumente vor, die auf systematisches Anabolikadoping unter Fußballprofis Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre hinweisen.
Ein Gesicht hat der dopende Fußballer bis heute nicht bekommen. Das Interesse daran scheint auch nicht allzu groß zu sein. Der europäische Fußballverband Uefa hat zwar lobenswerterweise in den letzten Jahren eine große Studie in Auftrag gegeben und 4.195 Urinproben auf Steroide hin untersucht. Und wie nun am Wochenende öffentlich wurden hat man auch knapp 8 Prozent auffällige Testpersonen mit erstaunlich hohen Testosteronwerten ausfindig gemacht. Das Problem ist nur: Die Proben wurden anonymisiert – so, als ob den Manipulateuren ähnlich wie bei den anonymen Alkoholikern eine private Schutzzone eingerichtet werden müsste. Als ob man sie vor der Scham bewahren wolle, als Doper aufzufliegen.
Was bei der genaueren Auswertung der Studie auch immer noch herauskommen mag, die Betrüger und ihre Helfer können nicht zur Verantwortung gezogen werden. Und so lange die Verdächtigen alle den Namen Max Mustermann tragen, werden die Dopingleugner weiter behaupten, dass es unter Fußballern keine Doper gibt. Schließlich ist ja noch keiner enttarnt worden. Anonyme Befragungen können ganz praktisch sein. Liest man die Studie der Uefa genauer, so kann man zumindest eine etwas nähere Vorstellung von den Verdächtigen erhalten. Sie sind auch bei Champions-League-Teilnehmern unter Vertrag, spielen für die Auswahlmannschaft ihres Landes und sind vermutlich nicht allzu intelligent. Im Urin nachweisbares Anabolikadoping gilt nicht als besonders clever. Mikrodosen von EPO oder Wachstumshormone dagegen sind viel schwieriger nachweisbar. Vielleicht hat die Uefa deshalb erst gar nicht danach suchen lassen. Gut möglich, dass dann die Zahl der Max Mustermanns signifikant in die Höhe geschnellt und der Schutz der Anonymität noch schwerer zu rechtfertigen gewesen wäre.
So aber kann man weiter versuchen, die Angelegenheit kleinzureden. Mit Fakten ist der Szene ohnehin schwer beizukommen. Etliche Sportwissenschaftler haben in den letzten Jahren immer wieder bezeugt, dass Doping im Fußball sehr wohl Sinn macht.
Johannes Kopp
Leibesübungen SEITE 19
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen