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Archiv-Artikel

portrait Die umstrittene Stimme der Maya

Sie hat den Bürgerkrieg in Guatemala mit ihrer 1983 erschienenen Biografie (Rigoberta Menchú: „Leben in Guatemala“) weltweit bekannt gemacht. Sie wurde 1992 für ihren Einsatz für die Menschenrechte und ihr diskriminiertes Volk der Maya mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Jetzt hat Rigoberta Menchú angekündigt, sie wolle im September Präsidentin von Guatemala werden.

Sie wäre nicht nur die erste Frau in diesem Amt; sie wäre auch die erste Maya, die mit knapp 60 Prozent die Mehrheit der Wähler stellen. Schon deshalb ist sie nicht ohne Chancen. Aber leicht wird es nicht.

Zwei Faktoren sprechen gegen sie: Da ist zum einen der noch weitgehend ungebrochene Rassismus der Weißen und der Mestizen, der eine Schmutzkampagne gegen die Kandidatin erwarten lässt und schnell gefährlich werden kann. Noch immer gibt es Todesschwadronen in Guatemala.

Und da ist zum anderen die Tatsache, dass Menchús Ruf im Ausland viel besser ist als zu Hause. Sogar in Mayaorganisationen ist sie umstritten, unter anderem, weil sie die einzige international wahrgenommene Stimme ihres Volkes ist und sich in dieser Rolle auch gefällt.

Rigoberta Menchú Tum wurde vor 48 Jahren in dem Dorf Laj Chimel im guatemaltekischen Hochland in ärmste Verhältnisse hineingeboren. Über ihre Kindheit gibt es unterschiedliche Darstellungen: Sie selbst sagt, sie sei im Alter von zwölf Jahren nach Guatemala-Stadt gekommen, habe als Haushaltshilfe gearbeitet und erst mit 17 Spanisch gelernt. Andere Quellen legen hingegen nahe, dass sie dort ein katholisches Internat besucht habe und vergleichsweise begütert gewesen sei. Seit diese Zweifel an ihrer Biografie 1998 öffentlich wurden, ist Menchú umstritten. Unbestritten ist, dass ihr Vater 1980 nach einer Demonstration von Landarbeitern in die spanische Botschaft floh und dort zusammen mit Mitstreitern von Sicherheitskräften bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Tatsache ist auch, dass ihre Mutter im selben Jahr von der Armee verhaftet wurde und seither verschwunden ist. All die anderen Gräuel, die in der Biografie geschildert werden, hat es in Guatemala tausendfach gegeben. Nur hat sie Menchú vielleicht nicht selbst erlebt.

In den grausamsten Jahren des Bürgerkriegs war sie Aktivistin der Landarbeitergewerkschaft CUC und Militante der Guerillaorganisation EGP. 1981 ging sie ins Exil nach Mexiko, wo sie noch heute hauptsächlich lebt. Viele Mayaaktivisten halten sie deshalb für eine egozentrische Diva, die in der Heimat nur auftauche, wenn Fernsehkameras auf sie warteten. Wenn Rigoberta Menchú Präsidentin werden will, muss sie als Erstes solche Vorbehalte ausräumen. TONI KEPPELER