portrait: Rechtsaußen wird dritter Mann in Wien
Ein Machtwort wolle er nicht sprechen, enttäuschte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel das Ansinnen der Opposition. Auch von einer anlassbezogenen Reform des Bundesratsstatuts wollte er nichts hören. Denn es gibt kein gesetzliches Mittel mehr, um zu verhindern, dass Siegfried Kampl am 1. Juli den Vorsitz der Länderkammer des österreichischen Parlaments übernimmt. Kampl, als Kärntner Landwirt und einst Abgeordneter der FPÖ, dann BZÖ, war ein unbekannter Lokalpolitiker, bis er sich Mitte April über die „brutale Naziverfolgung“ nach dem Zweiten Weltkrieg empörte. Anlass war eine von den Grünen initiierte Debatte zur immer wieder abgesagten Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren.
Kampl war dagegen, denn diese seien „zum Teil Kameradenmörder“ gewesen. Auch historische Studien, die belegen, dass zwar viele Deserteure noch in den letzten Kriegstagen hingerichtet wurden, aber nur ein kleiner Prozentsatz bei der Fahnenflucht Gewalt anwandte, konnten den Haider-Parteigenossen nicht von seinen Aussagen abbringen.
Der Zufall will es, dass ausgerechnet dieser stramm Deutschnationale turnusgemäß den Vorsitz im Bundesrat übernimmt. Protokollarisch ist er damit der dritte Mann im Staate. Die ums Image ihrer neuen Partei besorgten Kollegen vom BZÖ mussten den Bürgermeister von Gurk lange beknien, bis er „aus freien Stücken“ sein Mandat zurückgab – zunächst.
Kampl war noch keine acht Jahre alt, als die britischen Besatzer seinen Vater vom elterlichen Bauernhof im Gurktal abholten. Franz Kampl, der nach dem Anschluss Österreichs schnell als NS-Ortsgruppenleiter in Steuerberg Karriere machte, wurde nicht routinemäßig entnazifiziert, sondern nach dem Kriegsverbrechergesetz belangt. Er hatte eine Nachbarin denunziert, die sich abfällig über Nazigrößen geäußert hatte. Nachbarn erzählen, er hätte nicht ganz linientreue junge Männer in letzter Minute noch an die Front geschickt. Im Umfeld der Familie wurde die lange Abwesenheit des Witwers als Schikane betrachtet.
Das gerade in Kärnten sehr dichte Netzwerk der „Ehemaligen“ pflegt die Mythen von Verfolgung durch die Alliierten bis heute. Offenbar hat Kampl in den letzten Wochen aus diesen Kreisen viel Solidarität empfangen. Denn plötzlich nahm er eine Rüge des derzeitigen Bundesratspräsidenten Georg Pehm, SPÖ, zum Anlass, den Rücktritt vom Rücktritt zu erklären. Er sehe keinen Anlass, den Vorsitz der Länderkammer nicht anzutreten. Zwar trat er aus dem BZÖ aus, doch der Regierung, die am 1. Juli in die EU-Troika rotiert, bleibt der peinliche Vorwurf, dass sie Nazi-Nostalgie toleriert. RALF LEONHARD
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