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philipp maußhardt über KlatschVielen Dank für dieses Gespräch

Prominente lassen sich sehr gerne interviewen. Und die Fragen stellen sie am liebsten auch noch selbst

„Mehr Interviews“, schrie der stellvertretende Chefredakteur, „wir brauchen mehr Interviews! Die Leser wollen Stars zum Anfassen. Nicht dieses langweilige Gelaber. Direkte Rede! Britney Spears im O-Ton: Ich hatte zum ersten Mal Sex mit 13! Das isses. Habe ich hier denn nur Schlafmützen sitzen?!“ Er hatte ja Recht. Wir waren Schlafmützen. Aber auf der anderen Seite versuchte ich schon seit einem halben Jahr einen Interviewtermin mit Boris Becker zu bekommen. Doch sein Manager, Robert Lübbenow, rief nie zurück. Die Kollegin, die seit Wochen Claudia Schiffer zu ihrer Schwangerschaft befragen wollte, musste hilflos mit ansehen, wie das Bäuchlein wuchs und wuchs, nur weil Schiffers Management die schriftlich eingereichten Fragen immer wieder mit Änderungsvermerken zurückschickte.

Vor kurzem erschien in einer Berliner Tageszeitung ein Interview mit Playboy-Rentner Gunter Sachs, das an Harmlosigkeit kaum zu überbieten war. Der erste Gedanke, ob man nicht vielleicht Männer als Interviewpartner hätte hinschicken sollen, führt ins Leere, wenn man erfährt, dass Gunter Sachs sowieso nur Interviews gibt, wenn ihm die Fragen vorher schriftlich vorgelegt werden. Bei dem dann gnädig eingeräumten Termin vorgefertigte Fragen abzulesen und lange vorher überlegte Antworten aufzuschreiben, ist eine verschärfte Strafe für jeden Journalisten.

Ein Interview mit Bruce Willis folgt einer genau vorher abgesprochen Dramaturgie. In Zehnergruppen werden die Journalisten zu ihm geführt, dann dürfen sie vorher schriftlich eingereichte Fragen an ihn stellen. Pro Journalist zwei Fragen. Dann kommt die nächste Gruppe dran. George Clooney ließ bei der Pressekonferenz zu seinem letzten Film schon vorher ausrichten: „Nur Fragen, die direkt mit dem Film in Zusammenhang stehen.“ Oder weiß er vielleicht gar nicht, was sein Management da macht? Vielleicht würde er ganz gerne gefragt werden, was er über Aloevera denkt oder ob er Angst vor dem Tod hat. Vielleicht würden unsere Stars ja furchtbar gerne ganz andere Fragen beantworten als die, die ihre überbezahlte Managerbande vorher aussiebt. Wenn das Clooney wüsste, wenn das der Führer wüsste? Alles wäre ganz anders gekommen.

Für mich ist Tom Kummer, der Interviewfälscher aus Hollywood, ein ganz großer Journalist. Er hat sich die demütigende Prozedur erspart und seine Prominenteninterviews gleich frei erfunden. Sie waren viel spannender zu lesen als alles, was man bislang aus dem Mund dieser von der Wirklichkeit abgeschotteten Spezies von Menschen erfuhr. Da unterhielten sich Brad Pitt und Pamela Anderson plötzlich über griechische und ägyptische Gnostiker, und der Boxer Mike Tyson offenbarte seine geheime Leidenschaft für Leo Tolstoi. Donnerwetter, da war endlich Saft in diesen Interviews! Leider flog der Schwindel auf.

Hollywood-Stars und deutsche Politiker nehmen sich da übrigens kaum etwas in ihrer Empfindlichkeit. Als ich noch klein und unbedeutend war und noch kein respektabler taz-Kolumnist, da hat mir die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin mal ein Interview um die Ohren gehauen, dass es nur so rauchte. Nicht nur meine auf Tonband aufgenommenen Antworten schrieb sie völlig um, auch meine Fragen stellte sie neu. Eigentlich hätte man drunterschreiben müssen: Die Fragen an die Justizministerin stellte Herta Däubler-Gmelin. Wobei das in vielen Fällen gar nicht schlecht wäre, Prominente würden sich selbst befragen. „Was ich schon immer über mich wissen wollte, mich aber nie zu fragen traute …“

Ziemlich stolz bin ich auch auf ein Interview mit Gaddafi-Sohn Saif al-Islam Gaddafi, das mir der libysche Thronfolger nach etwa einem halben Jahr Kotau endlich gewährte. Ich nahm das Gespräch auf Tonband auf, aber leider vergaß ich, Batterien einzulegen. Ich schrieb es nur aus dem Gedächtnis auf – und er hat es nicht einmal bemerkt. Ach so, er konnte ja gar nichts merken, es ist ja nie gedruckt worden.

Gestern rief ein Kollege an, völlig außer sich. Seit einem halben Jahr bemühe er sich nun schon um einen Interviewtermin mit einem großen italienischen Star. Jetzt habe er den Termin endlich bekommen, doch das Management habe ihm eine Liste mit Themen vorgelegt, nach denen auf keinen Fall gefragt werden dürfe. Nichts zu Politik, nichts zur Kirche, nichts zu früheren Skandalen. Um wen es sich handelt? Kann ich auf keinen Fall schreiben, da das Interview ja noch Furore machen soll.

Fragen zu Klatsch?kolumne @taz.de

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