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petition der wocheSchwulenbar in Sittenhaft genommen

Anlass der Petition Strenge Auflagen für eine Stuttgarter Schwulenbar

Das wollen die Initiatoren Ihr Szenelokal mit Darkroom erhalten

Das wollen sie nicht Als „Gefahr für die Sittlichkeit“ stigmatisiert werden

Eigentlich sollte es bei der Pressekonferenz am Dienstag um ihn gehen: Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat überraschend angekündigt, dass er sich bei der kommenden Wahl nicht um eine zweite Amtszeit bewerben wird. Doch weil seine Verwaltung eine fragwürdige Entscheidung getroffen hat, stand auf der Tagesordnung nicht nur die Zukunft des Oberbürgermeisters, sondern auch die einer Stuttgarter Schwulenbar.

Das Eagle ist schon seit 30 Jahren Szenetreffpunkt, ein neuer Pächter sollte das Eagle nun in die Zwanziger führen. Beim „Silvester Cruising“ wurde noch mit Sekt und Büfett der Jahreswechsel begangen, doch schon am nächsten Tag kam über Facebook die Nachricht, dass das Eagle „bis auf Weiteres geschlossen“ bleibe. So hat es Betreiber Rolf Steinacker entschieden: Er weigert sich, die neuen Auflagen der Gaststättenbehörde zu erfüllen, nach denen es in der Bar keine Musik, keine Nackten und keinen Darkroom geben darf.

Weil es der Auflagenbescheid „unmöglich macht, das Lokal wie in der Vergangenheit gewohnt zu betreiben“, hat das Eagle eine Petition gestartet. Schon am ersten Tag sind über 1.000 Unterschriften zusammengekommen: Die Unterstützenden empören sich vor allem über die Begründung der Stadtverwaltung. Von der Gaststätte könnten „Gefahren für die Sittlichkeit“ ausgehen, heißt es darin.

Der Sittlichkeitsbegriff wurde lange dazu benutzt, männliche Homosexualität unter Strafe zu stellen. Die Nazis zielten mit der Verfolgung von Homosexuellen auf die „sittliche Gesunderhaltung des Volkes“. Erst seit 1994 ist Homo­se­xua­li­tät in Deutschland nicht mehr strafbar.

Im selben Jahr zog Volker Beck zum ersten Mal in den Bundestag ein. Der Grüne ist als Kämpfer für die Rechte von Lesben und Schwulen bekannt und hat seinen Parteikollegen auf Twitter ermahnt: „Hallo Fritz Kuhn, wer hat in Stuttgart an der Zeitmaschine gedreht & ist 150 Jahre zu früh abgesprungen?“ Bei der Pressekonferenz entschuldigte sich Kuhn nun dafür, dass das Schreiben an den Betreiber „wehgetan“ habe. Mit den „Gefahren für die Sittlichkeit“ habe die Behörde einen Passus aus dem Landesgaststättengesetz zitiert, erklärte die städtische Pressestelle. Außerdem kündigte die Stadt an, den Fall erneut prüfen und „mit den Betreibern schnellstmöglich nach einer Lösung suchen“ zu wollen.

Zwei Tage später haben sich Betreiber Steinacker und die Verwaltung zusammengesetzt. Es sei ein „freundliches Gespräch“ gewesen, berichtet der Wirt. Die Vertreter der Stadt hätten deutlich gemacht, dass die Auflagen kein generelles Musik­verbot bedeuten würden, sondern nur dass aus dem Eagle keine Diskothek werden dürfe. „Das Problem mit dem Darkroom ist aber nicht kurzfristig zu lösen“, so Steinacker.

Er hofft jetzt auf den Gemeinderat. Dieser könne wie etwa in Köln eine Ausnahmeregelung für Darkrooms durchsetzen. Mehrere Fraktionen haben bereits Unterstützung zugesichert – auch die Grünen. Deren Oberbürgermeister betont, Stuttgart sei „eine weltoffene Stadt, in der auch Homosexuelle Treffpunkte finden“. Als solchen Treffpunkt will Steinacker das Eagle bald wieder öffnen – wenn auch zunächst ohne Dark­room. Denn bis eine politische Lösung gefunden ist, kann es noch einige Zeit dauern.Michael Kees

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