petition der woche: Gegen den Popcorn-Pöbel
Anlass der Petition schmatzender und knisternder Popcorn-Verzehr im Musical.
Das wollen die Initiatoren Popcorn aus den Stage-Theatern verbannen.
Das wollen sie wirklich Niveauverlust durch unwürdige Snacks verhindern.
Beim Thema Musical scheiden sich die Geister. Die einen halten es für Theater mit Singsang-Einlagen, die anderen für hohe Kunst. Bei Popcorn ist das anders – eigentlich findet’s jeder lecker. Die Kombination aus Popcorn und Musical ist das, was Romana Bauer dazu gebracht hat, eine Petition gegen den Snack-Klassiker zu starten. Für sie ist das Musical hohe Kunst und Popcorn das Symbol für mindere Unterhaltung. Sie fordert ein Verkaufsverbot von Popcorn in Stage-Theatern.
Gründe gibt es viele. Sagt sie. Es fallen große Worte wie Respekt und Niveau. „Das ist einfach respektlos gegenüber den Darstellern, deren allabendliche Höchstleistung damit auf einen 15-Euro-Kinofilm herabgewürdigt wird“, so die Initiatorin. Lautes Tütenknistern und genussvolles Schmatzen sei außerdem störend für den Rest des Publikums: „Das zerstört die Atmosphäre und hindert mich daran, in eine andere Welt einzutauchen, wofür ich viel Geld bezahlt habe“, sagt Bauer.
Oft gelten Ballett, Oper oder Theater als überteuert und elitär. Dabei sind Musicalkarten meistens viel teurer. Auch das ist ein Punkt, der Romana Bauer wichtig ist. „Wenn ich 100 Euro oder mehr für ein Ticket zahle, will ich die Show auch uneingeschränkt genießen.“ Mit „uneingeschränkt“ meint sie krümel-, schmatz- und knusperfrei. Romana Bauer wird „Stage-Theater so lange meiden, bis der Verkauf von Popcorn abgeschafft oder zumindest der Verzehr im Saal strikt verboten wurde“, sagt die 27-Jährige.
Ähnlich nachdrücklich sind auch die über 300 Unterstützer, die bisher die Petition unterschrieben haben. In den Kommentaren findet man alles von Entrüstung bis Untergangsstimmung. „Wo ist unsere Kultur geblieben?“, fragt eine Unterstützerin aus NRW. Guido aus Hamburg stimmt zu: „Popcorn gehört ins Kino! Ich möchte im Musical anspruchsvolle Kultur erleben.“ Ein anonymer Unterstützer bemerkt: „‚Gutes Benehmen‘ und Stil nehmen leider im (Musical-)Theater allgemein ab“ und „Popcorn in einem Musicaltheater? Geht’s noch?!“, fragt Steffi aus Siebeldingen. Man wehrt sich gegen den Popcorn-Pöbel.
Früher beschmunzelte der Opernbesucher das Musical als Event für Kulturbanausen, heute schimpft der Musicalfan seinerseits über niveausenkendes Popcorn. Die Kultur muss beschützt werden – dieses Mal aber nicht vor dem Format Musical, sondern vor einem profanen Snack. Und noch etwas anderes ist gleich geblieben. Musical und Popcorn entsprechen dem gleichen Feindbild: Kommerz, der die Kultur aushöhlt.
Im Theater Kehrwieder in Hamburg wird seit sechs Wochen gepoppter Mais zum Glöckner von Notre Dame serviert. Darsteller hätten sich nicht beschwert, sagt Stephan Jaekel, Pressesprecher von Stage Entertainment, dem Unternehmen, gegen das sich die Petition explizit richtet. Allerdings äußerten Zuschauer ihren Unmut über den Popcorn-Verzehr während der Vorstellung. „Wir sind dem mit verstärkten Hinweisen durch unsere Foyer-Kollegen begegnet, auf diesen Verzehr aus allgemeiner Rücksichtnahme zu verzichten.“ Zudem zieren nun rote Aufkleber die Popcorntüten, auf denen steht: „Pssssst, bitte nicht während der Vorstellung knabbern.“
Bleibt nur eine Frage: Was, wenn ein Musical im Kino läuft („LalaLand“) – darf man dann Popcorn essen? Sara Tomšić
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