petition der woche: Der Taubenkrieg von Bünde, Ostwestfalen
Anlass der Petition: In Bünde wurden Tauben misshandelt
Das wollen die Initiatoren: einen betreuten Taubenschlag einrichten
Das wollen sie nicht: dass Tauben ein klägliches Dasein fristen
Wem auch immer Taubenkacke Glück bringen soll, den Tauben selbst jedenfalls nicht. „Eine Stadttaube hat eigentlich das schlimmste Leben, das ein Tier haben kann“, sagt Melissa Tomanek. Immer wieder, erzählt Tomanek, finde sie im ostwestfälischen Bünde verletzte und gequälte Vögel, die sie mit viel Mühe und Zuwendung wieder hochzupäppeln versucht. Tauben, die getreten oder überfahren wurden, die Schussverletzungen tragen oder vergiftet wurden. Nicht immer gelingt es. Tomanek, 27 Jahre alt, engagiert sich seit sechs Jahren ehrenamtlich in der Wildtierhilfe.
Wenn sie über die Situation in Bünde spricht, klingt es nach einem kleinen Krieg. Beschimpfungen und Beleidigungen gegen Taubenfreunde seien an der Tagesordnung. Nun will sie eine dauerhafte Lösung. In einer Petition bittet sie die Stadtverwaltung um Hilfe bei der Einrichtung eines betreuten Taubenschlags. Die Tauben sollten dort einen geschützten Raum bekommen, tierärztliche Versorgung und Futter, damit sie nicht mehr in den Abfällen der Innenstadt nach Nahrung suchen müssten. So würden sie gesünder und würden ihren Kot nicht mehr überall verteilen. Die Vermehrung ließe sich dadurch kontrollieren, dass die gelegten Eier regelmäßig durch Plastikimitate ersetzt würden – langfristig würde sich der Taubenbestand so sogar reduzieren. So die Theorie, die inzwischen 802 Menschen mit ihrer Unterschrift unterstützen.
Daniel Haag-Wackernagel ist dagegen skeptisch. Der Basler Biologieprofessor konnte mit einem Projekt die Taubenpopulation seiner Stadt nachhaltig senken, dazu gehörten auch Taubenschläge. „Wir füttern selbstverständlich nicht in den Schlägen“, betont er, denn die Populationsgröße richte sich danach, wie viel Nahrung verfügbar ist. In einigen Fällen, etwa in Wiesbaden, sei in den Schlägen so viel gefüttert worden, dass sich Hunderte anderer Tauben zusätzlich davon ernährten. „Ein Wahnsinn, da wird das Taubenproblem eigentlich erzeugt statt gelöst“, kommentiert er. Das Überangebot an Futter schade auch den Tauben, denn zu dichtes Zusammenleben könne zu Stress und Krankheiten führen. Ihm geht es um eine kleine, gesunde Population, die mit dem Menschen problemlos koexistieren kann.
„Natürliche Selektion“ und „Reduktion von Beständen“, die in Basel anfangs auch die Tötung von Tauben beinhaltete, sind für TierschützerInnen kalte Begriffe, die im Gegensatz zu ihrer emotionalen Verbindung zu individuellen Tieren stehen. Daniel Haag-Wackernagel hält es dagegen für eine seltsame Form der Tierliebe, wenn der Mensch „mit seinen romantischen Vorstellungen in die natürliche Lebensweise der Tiere hineinpfuscht“.
Laut Axel Biermann vom Ordnungsamt Bünde sind die Fronten in der Stadt aber nicht ideologisch festgefahren. So groß sei das Taubenproblem nicht. Dem Modell eines Taubenschlags steht er prinzipiell offen gegenüber, wenn auch einige Fragen noch zu klären sind. Beispielsweise wie die sehr standorttreuen, erwachsenen Tauben an einen neuen Nistplatz gewöhnt werden sollen. Und wer die Betreuung übernehmen kann – „der Taubenschlag selbst kostet ja nicht die Welt“. Hier haben die Wildtierschützer bereits angeboten, Futter, Medizin und anfangs auch ehrenamtliche Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Die Gremien sollen sich in den nächsten Wochen nun mit der Petition befassen. Niklas Vogel
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