peter unfried über Charts: Am Tag, als Franzl Böhmisch starb
Die größte Tragödie von allen: Warum? Das geheime Leben und Sterben unseres größten Hopsasa-Sängers
OUT Franzl Böhmisch (52 +, „Ich bin kein Hopsasa“). Unser großer Sänger. Bis zu seiner letzten Fahrt in einem goldenen Leichenwagen blieb er ein Mann voller Widersprüche.
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Mit 15 trampte er in Hippie-Klamotten bis London.
Mit 21 machte er einen Not-Schulabschluss (in Physik).
Mit 22 fuhr er mit seinem silbergrauen Rolls zum Geburtstag von Dieter Thomas Heck.
Mit 23 hatte er sein ganzes Geld einem pfälzischen Monsignore überschrieben.
Mit 28 folgte eine rätselhafte Zeit als Heilpraktiker in Afrika (Somalia).
Mit 42 wurde er vor Gott der Mann an der Seite unserer großen Politikerin.
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Seinen Tod plante er so akkurat wie seine Bühnenauftritte. Im Studio nahm er sieben Videos auf, die er um sein senffarbenes Bett verteilte. Jeder bekam einen speziell für ihn aufgenommenen Abschiedssong. Auf jeder CD-Hülle standen genau dieselben drei Worte: „Play it loud.“
Das Vermächtnis für seine geliebte Conny aber war eine Neuversion seines Millionensellers „Ich bin kein Hopsasa“.
So endete alles mit jenem Song, mit dem am 12. Juli 1971 – also genau heute vor 30 Jahren – auch alles begonnen hatte. Und auch wieder nicht, denn es war eine radikale Weiterentwicklung des legendären Millionensellers, entschlackt und musikalisch völlig neu zusammengesetzt.
Jedem Freitod geht ein langer, quälender und, wie man ganz richtig sagt, selbstmörderischer Prozess voraus. Was aber quälte den erfolgreichen Star, den die Frauen vergötterten und die Männer bewunderten? Es war ein tiefes, dunkles Geheimnis.
Wenn Böhmisch sich morgens um 13.30 Uhr von Eddie informieren ließ („Was schreiben die Zeitungen, Eddie?“), dann schwang immer Angst mit, „alles“ könne „herauskommen“. Jemand könne das strahlende Leben zerstören, dessen Kehrseite jenes dunkle Geheimnis war.
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Das ist dem Massenpublikum gar nicht aufgefallen. Aber wann immer der lustige Franzl Böhmisch auf seine Zeit in Afrika angesprochen wurde, huschte ein dunkler Schatten über sein Gesicht. Plötzlich wirkte er nicht mehr rebellisch, sondern nur noch zerbrechlich. Einmal konnte Eddie mit Mühe das Schlimmste verhindern, als Biolek fragte, mit welcher Maschine Conny und er im Herbst 1977 eigentlich geflogen seien.
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Landshut. Als Böhmisch und Conny aus Afrika zurückkamen, zogen sie in einen Bungalow am Rande des niederbayrischen Landshut. Von dort aus startete Conny ihren steilen Aufstieg an die Spitze der Partei. Unvergessen, wie Dieter Thomas Heck einmal live fragte: „Warum eigentlich Landshut, Franzl?“ Worauf Franzl völlig hektisch antwortete: „Warum nicht Landshut?“
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Es war charakteristisch für Franzl Böhmisch, dass er sich weniger um sich selbst sorgte. „Ich kann jederzeit wieder untertauchen“, soll er einmal geäußert haben. Er sei schließlich nur ein Sänger. „Aber was wird aus Conny?“ Und mehr noch: „Was wird aus der Partei?“
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In seinem Tagebuch notierte Franzl Böhmisch zunehmend dunklere Gedanken. Am 27. April: Wir sind immer von den Seelen unserer Verstorbenen umgeben.
Und am 19. Mai: Verdammt. Bayern doch wieder Meister.
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In seinem letzten großen Hit, „Ein Flugzeug landet in Mogadischu“, versuchte Böhmisch, seine geheime Qual künstlerisch zu verarbeiten. Es blieb bei unverständlichen Anspielungen („Vergib mir, Ben Wisch, die Sache ist doch längst vom Tisch“). Als ihn ein Fernsehmoderator fragte, was das für ein Gefühl sei, die Hitparade zu „stürmen“, kam es zu dem furchtbaren Eklat.
IN Mein Name ist übrigens Mike. Ich bin der Berater der Parteivorsitzenden. Ich habe auch die sieben Videos machen lassen. Das Ganze ist natürlich eine Tragödie. Aber: Wissen Sie, wo der Böhmisch am 17. September 1977 wirklich war? Er trat in der ZDF-Hitparade auf. Mogadischu? Hahaha! Dieser Verrückte hätte die ganze Partei mit ins Verderben genommen. Andererseits: Die Partei war eh am Ende. Und jetzt? Sind die Ratings plötzlich so gut, dass wieder alles drin ist. In memoriam Hopsasa – Witwe für Deutschland – das wird unser Claim. Habe ich mit Springer ausgemacht. Das wäre eh nicht mehr lange gut gegangen. Sagen wir es so: Franzl Böhmisch starb für eine gute Sache.
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