performance des tages: ronaldo, der beste freund des balles:
Es muss nicht immer ein technisches Zuckerl sein. Die Pieke tut es manchmal auch. Ronaldo schoss Brasilien mit der Fußspitze ins Finale der WM. In der 49. Spielminute zog er los. Der Ball klebte an seinem rechten Fuß, als bestehe ein rätselhafter Magnetismus zwischen Ronaldos Schlappen und Fevernova. Die türkischen Abwehrspieler verloren noch keinen Gedanken daran, ob ein Foul am Eindringling angebracht sei, da hatte Ronaldo auch schon überraschend abgezogen. Torwart Rüstü, bis dahin tadellos haltend, muss sich nun das Urteil deutscher Sofa-Experten gefallen lassen: „Den hätte der Kahn aber gehalten.“
Von seinem letzten WM-Endspiel weiß Ronaldo schaurige Geschichten zu erzählen: Sie handeln von einer Nacht mit Schüttelkrämpfen. Vom angeblichen Geheiß seines Sponsors, trotz der mysteriösen Beschwerden auf den Platz zu gehen. Sie erzählen auch vom Versagen in solch einer Extremsituation. Er hat also etwas gut-, oder besser: vergessen zu machen. Der bei Inter Mailand nicht schlecht bezahlte Stürmer kann sich für sein Geld (6 Millionen Euro) eine Menge Dinge kaufen, ein neues Gedächtnis nicht. Die Erinnerung wird ihn vor dem Deutschland-Match in Yokohama einholen und er wird versuchen, ein bisschen schneller zu sein als sein Unterbewusstsein.
Die Eindrücke eines anderen Finales waren nicht minder schmerzlich. In der italienischen Liga kämpfte ein Trio um den Titel, Inter Mailand hatte gute Karten, ging aber am letzten Spieltag gegen Lazio Rom mit 2:4 unter, beging laut Gazzetta dello Sport „Selbstmord“. Ronaldo kullerten die Tränen über die Wangen, wollte er doch mit einem Titel sein Comeback besiegeln. Er ist erst seit ein paar Wochen wieder zurück von einer Reise, die er in Reha-Kliniken und mit Selbstzweifeln verbrachte. Jahrelang kämpfte der 25-Jährige mit einer hartnäckigen Knieverletzung. Noch immer ist Ronaldos Kondition nicht die beste. Trainer Scolari nahm ihn deshalb in der 68. Minute vom Platz. Er sollte sich schonen fürs Finale, um gegen Deutschland dem Ball wieder einmal den entscheidenden Impuls geben zu können. Mit seinem sechsten WM-Treffer führt Ronaldo nun die Torjägerliste an, vor Klose und Rivaldo (je 5). Für das Spiel gegen die Türkei hatte sich Ronaldo übrigens eine Frisur scheren lassen, die wenig stilsicher wirkte und in ihrer Ausführung einer gänzlich missratenen Tonsur glich. Ihm sei es verziehen. MV
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