pampuchs tagebuch: Die Beziehungskiste
Irgendwann gibt es in jeder Beziehung mal einen Knacks. In den üblichen Beziehungen, wie wir sie aus dem Kino und Fernsehen kennen, und, nun je, auch von uns selbst, gibt es dann Dramatik, Spannung, Leid und Freud. Es gibt viel zu reden und zu streiten, zu vermitteln und zu heilen, zu bedenken und zu erklären. Ob der Knacks zu einer Trennung führt oder nicht, wird gemeinhin erst nach langen Auseinandersetzungen entschieden.
In den Beziehungen zu den Händlern unseres Vertrauens, egal, ob es Gemüse-, Auto-, Wein- oder Computerhändler sind, ist alles noch komplizierter. Denn da passiert es in diesem einen kurzen, entscheidenden Moment der Enttäuschung. Und meistens wird dann nicht mehr viel geredet. Bei einer einzigen Enttäuschung mit einem vertrauten Händler, Handwerker oder Reparaturfritzen wenden wir uns dem nächsten zu. Stolz erhobenen Kopfes ziehen wir ab. „Wer wird denn weinen, wenn man auseinander geht, wenn an der nächsten Ecke schon ein anderer steht“, hieß das in den glorreichen promiskuitiven Zeiten von ehedem. Die sind vorbei, nur im Geschäftsverkehr nicht. Dort heißt das jetzt „Freedom of Choice“, zumal in der Auseinandersetzung mit dem mittelständischen Unternehmertum.
Nachdem mir in den letzte Wochen nicht nur mein Auto und mein Fernseher, sondern auch mein Computer zusammengebrochen sind, sehe ich, der ich mir lange Zeit etwas darauf zugute gehalten habe, den seelenlosen, Hire-and-fire-Kapitalismus für unmenschlich und sittenwidrig zu halten, mich gezwungen, einen schmerzhaften Umdenkungsprozess zu durchleiden. Was soll ich mit einem TV-Händler, der mir beim geplanten Kauf eines Fernsehers nicht einmal die Knöpfe zur Einstellung der Farbsättigung erklären will? Was will ich mit einem Autohändler, der bei meinem (bei ihm gekauften) Panda, der nicht mehr anspringt, einfach nur die Batterie ersetzt und sich dann wundert, dass die nach einem Tag wieder leer ist?
Und was, zum Teufel, soll mir ein Computerhändler, der meinen (seinen!) kaputten Laptop einfach nicht mehr so in den Griff kriegt, wie es sein sollte? Zu dem ich die Kiste schon gar nicht mehr trage, weil ich das Vertrauen verloren habe? Der mir nicht mal meine Daten richtig gesichert hat, so dass ich jetzt an die 3.000 E-Mails aus vier Jahren verloren habe! Oh heilige Unfähigkeit! Müssen wir uns denn alles gefallen lassen?
Aber wartet nur, ihr Händler, ihr Mechaniker und Techniker, die Zeit der Abrechnung ist nahe. Die Krise wird euch Mores lehren. Wer jetzt nicht scheißfreundlich ist, wer nicht perfekt berät und wer es wagt, die Reparaturen nicht ordentlich zu machen, den wird die Schwarze Hand der Strafvereinigung Konsumentenmacht ereilen. Ab jetzt wird gnadenlos Angebot mit Angebot, Leistung mit Leistung verglichen. Ein falsches Wort, ein kleiner Fehler, und der Konkurrent an der nächsten Ecke kriegt seine Chance. Fremdgehen wird die neue Waffe der Kunden. Wollen wir doch mal sehen, ob wir in Zeiten des Umbruchs nicht endlich die Luschis im Gewerbe wegfegen können. Alle reden vom Mittelstand, wir bringen ihn auf Trab: Verdienter Kolumnist sucht auf diesem Wege neuen Computerfritzen zur Anbahnung einer vertrauensvollen Partnerschaft. Topqualität Voraussetzung, Partnerwechsel beim ersten Knacks garantiert. Nur ernsthafte Bewerbungen bitte.
THOMAS PAMPUCH
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