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paarungsrufe und brechreizgeräusche

von RALF SOTSCHECK

Die britische Tourismusindustrie hat es nicht leicht. Die Maul- und Klauenseuche hat voriges Jahr für Einnahmeverluste von drei Milliarden Pfund gesorgt, weil die Berge von brennenden Tieren die Besucher nicht gerade anlockten. Und das muntere Schlachtfest geht weiter. Obwohl seit 30. September kein neuer Seuchenfall mehr aufgetreten sein soll, sind seitdem mehr als 200.000 Tiere getötet worden.

Ein Fall von Blutrausch? Vorsichtsmaßnahmen, sagt das Landwirtschaftsministerium. Im Blut der Tiere seien Antikörper festgestellt worden, was bedeutet, dass sie die Seuche hatten, sich aber heimlich davon erholt haben. Zur Strafe wurden die hinterlistigen Viecher erschossen. Schatzkanzler Gordon Brown hat den Tourismus-Managern nun 20 Millionen Pfund spendiert, um Britannien im Ausland zu vermarkten. „UKOK“ heißt der Werbeslogan. Das hört sich an wie der Paarungsschrei von Primaten, soll aber suggerieren, dass das United Kingdom okay sei.

Okay? Mehr nicht? Wenn man dem Koch in einem englischen Restaurant bescheinigt, dass die warme Mahlzeit, die er einem serviert hat, okay gewesen sei, wird er den Gast beleidigt zum Duell fordern. Die Werbekampagne preist englische Errungenschaften an, zum Beispiel die Königin, die einsamen, von Tieren befreiten ländlichen Gegenden sowie den Sport. Höhepunkt im Sportkalender, so heißt es, seien die bevorstehenden Commonwealth-Spiele in Manchester. Ach ja, der gute alte Commonwealth. Aus allen Ecken des früheren britischen Weltreichs kommen die Sportler und Sportlerinnen zusammen, um unter dem wohlwollenden Auge der Queen in sportlichen Wettstreit zu treten. Danach aber schnell ab nach Hause. Schwarze oder asiatische Menschen aus den Commonwealth-Ländern sind als Touristen unerwünscht.

Diese Erfahrung mussten zahlreiche Besucher aus Simbabwe und Südafrika machen. Sie kamen nicht weiter als bis zum Flughafen Heathrow. Die 20-jährige Dorothy Chitsaka hatte gerade ihr Studium an der Schule für Gastfreundschaft und Tourismus in Simbabwe beendet und wollte ihre Cousine in Brighton besuchen. Die Einwanderungsbeamten hatten kein Studium der Gastfreundschaft absolviert und sperrten Dorothy für 13 Stunden ein. Danach setzte man sie in den nächsten Flieger nach Hause. Viele andere schwarze Touristen berichten Ähnliches. Eine Krankenschwester aus Simbabwe, die zwei Wochen Urlaub in Britannien machen wollte, wurde vom Einwanderungsbeamten gefragt, wie sie denn Ferien machen könne, wo ihr Land gerade den Bach runter gehe. Sie wurde postwendend zurückgeschickt. Thuveshan Marimuthu aus Durban wurde 14 Stunden ohne Nahrung und Getränk festgehalten. Als er sich beschwerte, erklärte ihm der Beamte, dass er nun leider gar keine Chance mehr auf eine Einreise habe. „Leute wie ihr wollt die Welt regieren“, sagte der Beamte zum Abschied. „Aber eins sage ich euch: Britannien werdet ihr nicht regieren.“ UKOK ist wohl doch kein Paarungsruf von Primaten, sondern das Brechreizgeräusch bei der Ankunft in Heathrow.

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