orte des wissens: Bis auf den tiefsten Grund
Im Zentrum für Tiefseeforschung an der Uni Bremen werden Forschende künftig Fragen nach der Rolle der Ozeane und der Tiefsee für das Klima nachgehen
Anglerfische, Riesenkalmare und Dunkelheit: Dafür, dass sie so ein großer Lebensraum ist, wissen wir sehr wenig über die Tiefsee. Trotzdem hält das uns Menschen nicht von ihrer Ausbeutung ab. Interessant wegen ihrer Rohstoffe, doch größtenteils unerforscht. „Es gibt Bereiche, wo noch nie ein Mensch war, wo man auch nicht so ohne Weiteres hinkommt“, sagt Kai-Uwe Hinrichs, Direktor des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften der Uni Bremen (Marum). Ein bisschen mehr Lichts ins Dunkel zu bringen, ist die Aufgabe des Marum. Das Zentrum ist über 20 Jahre alt und betreibt nach eigenen Angaben grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung zum Wohle der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.
Dabei helfen soll nun auch das neue Zentrum für Tiefseeforschung. Ein Neubau an der Uni bietet auf 4.000 Quadratmetern Platz für verschiedenen Arbeitsgruppen, die bislang auf dem Campus verstreut waren. Von den 50 Millionen Euro Kosten hat der Bund ein Drittel übernommen, Bremen den Rest.
Mitfinanziert worden und eingezogen ist auch der Tauchroboter Marum-Quest 5000, der einen seit über 20 Jahren im Betrieb befindlichen Tauchroboter ersetzen wird. Er kann in bis zu 5.000 Metern Tiefe arbeiten und dort „fotografieren, mit Greifern Gestein aufnehmen, mikrobielle Matten und Flüssigkeiten einsaugen, mit Sensoren messen“, sagt Hinrichs. So werden biochemische Untersuchungen möglich. Der Roboter ist ferngesteuert, also mit einem Kabel mit dem Schiff verbunden. „Auf dem Schiff sind große Videoleinwände. Wenn man dahinter sitzt, hat man das Gefühl, man sitzt in der Tiefsee. Man hat die gleichen Möglichkeiten wie mit einem bemannten Roboter, aber es vereinfacht Dinge – und ist bequemer.“ Der Neuling wird zum ersten Mal auf der derzeit stattfindenden „Meteor“-Expedition M210 am Mittelatlantischen Rücken eingesetzt.
Doch warum sollte uns die Tiefsee interessieren? Die Tiefsee verstehen bedeutet auch die Chance, Lösungen für den Planeten zu entwickeln; Verständnis bedeutet, Herausforderungen durch Umweltveränderungen zu begegnen. Im Ökosystem Meeresboden, der Grenze zwischen Untergrund und Ozean, geschehe viel, so Hinrichs. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Prozesse dort eine Rolle fürs Klima spielen.“ So wisse man, dass Ozeanböden Kohlenstoffsenken sind; fürs Klima wichtige CO2-Speicher.
Um die wichtige Stoffflüsse zu quantifizieren, brauche man die Art von Infrastruktur, die das Zentrum biete. Hochspezialisierte Labore, Werkstätten, Räume für kleinere Tagungen und Seminare sowie eine Gerätehalle, um Großgeräte zu entwickeln und zu warten: „Das Zentrum bietet die Möglichkeit, die Entwicklung von Unterwassertechnologie und interdisziplinäre Arbeit auf ein neues Level zu heben.“ Nicht zu vergleichen mit dem Geomar Helmholtz-Zentrum oder dem Alfred-Wegener-Institut – aber im universitären Bereich habe das Marum die größte Konzentration von Ressourcen und Expertise, so Hinrichs. Aus den letzten Jahrzehnten lagere man bereits knapp 200 Kilometer Sedimentkerne aus Bohrungen – „einzigartig in Europa“ –, im neuen Zentrum für Tiefseeforschung bietet eine Kühlhalle Platz, um noch viele Kilometer dranzuhängen.
Kai-Uwe Hinrichs, Direktor des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften der Uni Bremen
Seit März ist das Zentrum in Betrieb. Ist der Umzug fertig, werden hier etwa 150 Menschen arbeiten. Hinrichs selbst zieht mit seiner Forschungsgruppe und seinen „recht hoch aufgerüsteten Laboratorien“ nicht um. Er schaut von seinem Arbeitsplatz nun auf den Neubau. „Es geht darum, den Menschen, die bislang nicht unter dem Dach des Marum saßen, ein Zuhause zu bieten.“ Alina Götz
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