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orte des wissensIm Simulator durch die Stürme des Ozeans

Flensburgs Maritimes Zentrum des Instituts für Nautik und maritime Technologien fördert die Problemlösungskompetenz auf See

Wie steuere ich ein Schiff durch schwere See? Was, wenn es auf Grund läuft, wenn an Bord Feuer ausbricht, wenn die Maschine ausfällt, wenn Personal über Bord geht? Das Maritime Zentrum des Instituts für Nautik und maritime Technologien (INMT) der Hochschule Flensburg bringt angehenden nautischen und technischen Wachoffizieren bei, was dann zu tun ist. Es geht um das Passieren von Schleusen und Kanälen, um Seegebiete und Wetterbedingungen aller Art, um das Erproben unterschiedlicher Schiffsmodelle.

Primär ist das natürlich Simulator-Arbeit. „Das ist wie bei Piloten“, erzählt Nautik-Professor Pawel Ziegler, früher selbst auf Gas-Tankern und Container-Frachtern im Dienst, oft in asiatischen und afrikanischen Gewässern. „Da steht man dann auf der Brücke, um sich herum Projektionen von bis zu 270 Grad, und fährt virtuell zur See.“ Stundenlang geradeaus geht es dabei meist nicht, entspannt den Kaffeebecher in der Hand. Die Reaktion auf Extremsituationen wird trainiert, auf Notfälle, aus Schiffsführungs- wie aus Maschinenraum-Perspektive. Oft werden dabei Simulatoren zusammengeschaltet, interagieren mehrere Fahrzeuge, etwa Schlepper und Transportschiff. Dazu kommt viel Theorie. Plus Zeit auf See.

Das Zentrum, rund drei Dutzend Mitarbeitende stark, vernetzt von Dänemark bis Schweden, von Großbritannien bis Indonesien, existiert seit 2011. Es umfasst nicht nur seine Bachelor-Studiengänge. Weiterbildungen finden hier statt, auch von Externen für Externe. Eines der Hauptthemen von Forschung und Entwicklung ist die Umweltverträglichkeit von Schiffen. LotsInnen werden hier ausgebildet, Gutachten erstellt. In der angeschlossenen Fachschule für Seefahrt kann man unter anderem SchiffsmaschinistIn werden.

Wer sich hier für ein Studium entschließt, steht „mit beiden Füßen fest auf dem Boden“, beschreibt Ziegler. „Das ist ein Schlag Mensch, der weiß, was er will und das auch durchzieht. Das sind gestandene Persönlichkeiten, aus denen man Führungskräfte machen kann.“

„Viele bringen Idealismus mit“, sagt Ziegler. „Aber die Zahl derer, die noch wirkliches Fernweh in sich tragen, die auch aus Abenteuergeist kommen, noch von der großen weiten Welt träumen, sich zur See die Hörner abstoßen wollen, wird kleiner und kleiner.“ Man spürt: Ziegler bedauert das ein bisschen.

Studiengänge am Maritimen Zentrum in Flensburg sind „Seeverkehr, Nautik und Logistik“ und „Schiffstechnik“, 2 der 8 Semester finden auf See statt

Es gibt übrigens nicht nur Simulatoren im Maritimen Zentrum. Auch analog kann gelernt werden. In seinen Maschinenhallen stehen Versuchsmotoren und Turbinen, eine Schwerölaufbereitungsanlage, ein Einspritzpumpenprüfstand, eine Ballastwasserfilter-Versuchsstrecke. „Da ist es dann auch schon mal laut“, lacht Ziegler. „Abgase inklusive.“

Und dann ist da noch die kleine, höchst selbstironisch „Autognom“ getaufte Elektro-Personenfähre auf der Flensburger Förde. „Das ist unser neuer Versuchsträger“, sagt Ziegler. „Ein schwimmendes Labor.“ Das Zehn-Meter-Boot, Ende 2023 vom Stapel gelaufen, ist für den Autonom-Betrieb gedacht. „Diese Technologie kommt nicht erst auf uns zu“, sagt Ziegler. „Sie ist bereits da.“

Und dann erzählt er. Vom Wandel der Schifffahrt „von der schmutzigen Sparte zu weniger Emissionen, zu alternativen Energieträgern und neuen Routen, zu größerer Energieeinsparung“. Davon, dass Auf- und Abschwung bei ihr oft sehr nah beieinanderliegen. Davon, dass das Gros der maritimen Führungskräfte nach ein paar Jahren Fahrbetrieb an Land wechselt, mit exzellenten Beschäfti­gungs­chancen, nicht zuletzt in der Industrie.

Eines der Hauptthemen von Forschung und Entwicklung ist die Umweltverträglichkeit von Schiffen

„Ozean, gönn uns dein ewiges Walten!“, hat Goethe geschrieben. Beim Walten in Flensburg geht es um Funk und Radar, um Ladungsmanagement und Seegebietsanalysen. Dafür hätte auch Goethe sich interessiert.

Harff-Peter SChönherr

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