orte des wissens: 245 Jahre Presse zum Runterladen
Im Zuge des Projekts „Hamburger Zeitungen Digital“ hat die dortige Uni-Bibliothek Publikationen von 1700 bis 1945 digitalisiert – 2,3 Millionen Seiten. Und es geht weiter
Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Dieses Sprichwort geht fehl, wie das Portal „Hamburger Zeitungen Digital“ aufs Schönste beweist. Derzeit 35 Zeitungstitel, 235.000 Ausgaben mit 2,3 Millionen Seiten bietet die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB) zur kostenlosen Nutzung an. 245 Jahre gedruckte Presseerzeugnisse – von 1700 bis 1945 – sind nun online zugänglich. Das Angebot wird weiter ausgebaut auf 81 Zeitungstitel mit einem Umfang von etwa 570.000 Ausgaben beziehungsweise. vier Millionen Seiten.
Der nun zugängliche Hamburger Zeitungsschatz verdankt sich der Energie und jahrelangen Arbeit des Hamburger SUB-Teams wie auch der Förderung der deutschen Forschungsgemeinschaft zur „Digitalisierung historischer Zeitungen des deutschen Sprachgebiets“. Sie ermöglichte die Erschließung Hamburger und Altonaer Zeitungen von der Aufklärung bis ins 19. Jahrhundert, die des Hamburger Fremdenblatts 1863 bis 1945 sowie die der Parteipresse der Arbeiterbewegung 1875 bis 1933 und des Nationalsozialismus 1928 bis 1945 in Hamburg und Harburg.
Auch die Bergedorfer Zeitung und das frühe sozialdemokratische Hamburg-Altonaer Volksblatt wurden digitalisiert. Die Blätter umfassen also inhaltlich und politisch ein breites Spektrum. Für „Hamburger Zeitungen Digital“ musste die SUB selbst bundesweit auf Titelsuche gehen. Zwar hatte sie seit dem 17. Jahrhundert Hamburger Zeitungen gesammelt, doch wurde ihre historische Zeitungssammlung bei einem Bombenangriff 1943 fast komplett zerstört.
„Hamburger Zeitungen Digital“ lassen sich nach den Titeln einzelner Tageszeitungen erschließen, darunter die vier wichtigsten politischen Blätter Hamburgs und Altonas im 18. Jahrhundert, die Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten – der spätere Hamburgische Correspondent –, der Hamburger Relations-Courier, der Altonaische Mercurius und der Reichs-Post-Reuter. Auch im Hamburger Fremdenblatt (1863–1945) lässt sich recherchieren. Es erschien ab Kriegsbeginn 1914 zweimal am Tag. Die auflagenstärkste Hamburger Zeitung galt im Deutschen Reich als Leitmedium und wurde auch im Ausland gelesen.
Über die Kalendersuche lassen sich gezielt Daten wählen, Suchergebnisse filtern und ganze Ausgaben oder einzelne Seiten herunterladen. Mit der Volltexterkennung sind zudem Suchbegriffe innerhalb der Texte auffindbar. Es gibt eine alphabetische Liste der Zeitungen mit Informationen zu den einzelnen Blättern.
„Hamburger Zeitungen Digital“ macht Forscher:innen also eine Fülle von Quellen zugänglich und zitierbar, liefert Studierenden und Schüler:innen Material für Recherchen, bringt vergangene Zustände zum Klingen. Hobbyhistoriker werden ebenso fündig wie Interessierte, die etwas zur eigenen Familiengeschichte erfahren wollen.
Beim zufälligen Betrachten einzelner Zeitungsseiten findet man natürlich Vermischtes. So berichtet der Hamburgische Correspondent am 8. 7. 1891 von einem „Diebstahl alter Gemälde“: Dem Kunsthändler Defoer wurden zwei wertvolle Gemälde angeboten. Da er wusste, dass sie einem Kunsthändler-Kollegen gehörten, der sie keineswegs verkaufen wollte, informierte er ihn sofort. Beide gingen zu dem Magazin, in dem die Gemälde lagerten. Es war ausgeraubt worden. Der Polizei nahm kurz darauf zwei „Spitzbuben“ fest – „die Söhne des Gemäldehändlers Defoer.“
Auf andere Weise Verstörendes ergibt die Suche nach historisch wichtigen Daten: Das Hamburger Fremdenblatt vom 10. 3. 1945 titelt: „Der Feind ist zu schlagen!“ Es zitiert eine Rede von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels vom Vortag. Goebbels beging am 1. 5. 1945 Selbstmord. Am 3. 5. 1945 kapitulierte Hamburg. Frauke Hamann
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