ohrfeigen aus magdeburg: Rache für die Ignoranz des Kanzlers
Der Verlierer der Wahl in Sachsen-Anhalt ist Bundeskanzler und heißt Gerhard Schröder. Eindrucksvoll haben die WählerInnen seine arrogante Behauptung abgestraft, die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt habe keine bundespolitische Bedeutung und sei nur ein „lokales Ereignis“. So verlor die SPD gestern gegenüber der 1998er Wahl in Sachsen-Anhalt nicht nur mehr als die Hälfte der Wählerstimmen. Mit der nun sehr wahrscheinlichen christlich-liberalen Koalition verliert die rot-grüne Bundesregierung auch noch ihre Mehrheit im Bundesrat. Damit kann das bürgerliche Lager künftig im Bundesrat wichtige Gesetze der Bundesregierung aufhalten. Das schadet Schröders Image als Macher und Gewinner.
Das Ergebnis in Sachsen-Anhalt ist kein Betriebsunfall. Die SPD knüpft lediglich an den Bundestrend an, den die Kohl’schen Spendenaffäre zeitweilig unterbrochen hatte. Bereits 1999, ein Jahr nach Amtsantritt von Rot-Grün in Berlin, musste die SPD unter anderem in Brandenburg, Thüringen und im Saarland herbe Wahlschlappen einstecken.
Der Grund: Vor allem Jungwähler und Arbeiter votierten für rechte Parteien oder wechselten zur Fraktion der Nichtwähler. Sie bilden ein Milieu der Modernisierungsverlierer, das sich von der innovationsfreudigen und fortschrittsgläubigen neuen Mitte Gerhard Schröders nicht vertreten fühlt – und schon gar nichts mit postmodernen rot-grünen Reformprojekten wie dem Lebenspartnerschaftsgesetz anfangen kann. Dieses Milieu mit seiner Angst vor Globalisierung und Einwanderung hatte 1998 in Sachsen-Anhalt noch SPD und vor allem die DVU gewählt. Doch den Sozialdemokraten ist es in den letzten vier Jahren nicht gelungen, diese Wähler an sich zu binden – geschweige denn, sie von der DVU zurückzugewinnen.
Das ist nicht nur aus sozialdemokratischer, sondern auch aus demokratietheoretischer Sicht unerfreulich. Denn diese Wähler sind aus Mangel an Alternativen zu Hause geblieben. Ob sie schon zur Bundestagswahl den Weg zurück an die Urnen finden, hängt von der Überzeugungskraft sozialdemokratischer Politikkonzepte ab. Was sie wollen, sind sichere Arbeitsplätze – bzw. überhaupt welche. Schröder befindet sich in einem Dilemma: Bietet er dieser Klientel zu viele traditionell sozialdemokratische Zugeständnisse, verliert er die Dynamischen und die Modernisierer an das bürgerliche Lager – wie in Sachsen-Anhalt. Macht er keine, verliert er an Nichtwähler – und an Stoiber. EBERHARD SEIDEL
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