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normalzeitHELMUT HÖGE über HorNo

Angebaggerte Baggerführer

Die sich Energiegewerkschaft nennende IG Bergbau-Chemie trieb im „Prozess der Einheit“ die Entsolidarisierung der Arbeiter am weitesten. Während des Hungerstreiks der Kalikumpel in Bischofferode veranstaltete die Gewerkschaft eine Gegendemo in Kassel, wo ihr damaliger Vorsitzender im Aufsichtsrat von Kali und Salz / BASF saß. Mit der Demo wollte man die Schließung der Ostgruben forcieren – die Parole dafür lautete: „Die Bischofferöder sind aus der Solidarität ausgeschert.“

Neuerdings versucht diese Gewerkschaft ihr mieses Verhalten von damals noch zu überbieten – in Horno. Dort kam dieser Tage der Bagger am Berg von Horno zum Stehen, weil ein Gericht die Klärung einer Grundstücksfrage für vorrangig erklärt hatte. Die RWE-Tochter Laubag setzte die Baggerbrigade flugs auf Kurzarbeit! Daraufhin sprang die Energiegewerkschaft ein – sie hat besonders viele Kader beim RWE-Konzern untergebracht: Am Hornoer Berg veranstaltet sie nun ein „Mahncamp“, zu dem „viele Prominente“ erwartet werden.

Man muss sich die von ihr dort abgestellten Männer so ähnlich vorstellen wie das Gegenstück zum Antifa-Camp in Forst. Hier auf dem Berg das kleine, gegen seine Wegbaggerung kämpfende Dorf, das aus der ganzen Welt Solidaritätsbekundungen bekommt, allsonntäglich in der Kirche bei einem „Mahngottesdienst“ mit Experten energiepolitische Probleme und Lösungen diskutiert, die Auseinandersetzungen zwischen seinen Freunden und Gegnern täglich auf seiner Webseite www.horno.de dokumentiert und in großer Einmütigkeit auf den Erhalt dieses kleinen sorbischen Siedlungsgebietes besteht.

Dort unten am stillstehenden Bagger schmerbäuchige Kurzarbeiter mit Helmen auf dem Kopf, mit Fackeln und Fahnen und drohend erhobenen Fäusten. Alle Räder setzen sich zugunsten der Schweinekonzerne im Westen in Bewegung, wenn dein starker Lausitzer Arm es will!

Es ist so grotesk, dass sich ganze Journalistenrudel aus dem In- und Ausland sofort nach dorthin abkommandieren lassen. Oben sagt die Pastorin in ein Mikrofon: „Ja, die FAZ kommt sonntags zu uns in die Kirche, aber die taz war ja in der Vergangenheit doch immer ziemlich distanziert gegenüber der Kirche, oder?“

Unten sagt ein Abraumbaggerfahrer, der jetzt statt 2.600 Mark nur noch 1.700 Mark bekommt: „Hier hängt alles von der Laubag ab, meine Frau ist schon arbeitslos, wenn es nicht weiter geht, müssen wir von hier wegziehen.“

Oben interviewt die Berliner Zeitung einen alter Hornoer: „Egal, was die Laubag mir bietet, meine Heimat hier, die Bäume, das Haus, das kann mir keiner ersetzen.“ Auch der Laubag-Vorstandssprecher Häge äußert sich zu dem Konflikt, ob nun die einen dem Bagger weichen sollen oder die anderen weg müssen, weil der Bagger weichen musste: „Wenn Horno bleibt, ist der gesamte Energiestandort mit seinen 4.000 Arbeitsplätzen gefährdet.“

Die umstehenden Energie-gewerkschafter nicken dazu. Auch die Vertreter der brandenburgischen Sozialdemokratie. Einer will sogar eine Demo gegen Horno organisieren, er hat seinen Wahlkreis in der Lausitz.

Es kommen die ersten Katastrophen-Touristen und Sozialabenteuer-Pilgerer. Die älteren sind unentschieden: „Irgendwie haben ja beide recht!“ Ein Berliner: „Wenn die zukünftigen Laubag-Veag-Eigner die Braunkohleverstromung so wie die drüben mit Garzweiler II drosseln, dann beugen sich auch SPD und Gewerkschaft diesem Druck!“ Ein Ami: „Selbständiges Handeln gegen den Staat und die Macht ist den Deutschen immer noch zuwider.“

Für die jüngeren ist die Solidarität mit Horno „selbstverständlich“. Für sie hat ein dänischer Professor mit einer Studentengruppe einen „Fuller-Dom“ hinter dem Gemeindehaus als Versammlungsstätte errichtet. Solon erklärte es einmal zur Pflicht eines jeden, sich im Konfliktfall der einen oder anderen Partei anzuschließen. „Das ist hier wie David gegen Goliath, und ich möchte die schwächere Seite unterstützen“, sagt einer der jüngeren.

An der Ecke stehen ein paar ältere Fernsehjournalisten zusammen und unterhalten sich leise. Der ORB soll angeblich von Stolpe persönlich angewiesen worden sein, sich da rauszuhalten, das gleiche versuche nun auch Diepgen beim SFB. Schon allein, weil eine Ausweitung des Horno-Konflikts die Auseinandersetzung zwischen den Schweden und den Kaliforniern beim Erwerb von Bewag, Veag und Laubag vollends unkalkulierbar mache.

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