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nichts für verlageLEIPZIG: MESSE DER LESER

Nein, Leipzig hat sich auch dieses Jahr für die Verlage nicht gerechnet. Aber nimmt das eigentlich noch jemand ernst? Es gibt im Kommentierungswesen unserer Zeitungen, Unterabteilung Kultur, inzwischen ein eigenes Subgenre: den idealistischen Leipzigabschlusskommentar. Wenn die Frühjahrsbuchmesse zu Ende gegangen ist, verfolgt er alle Jahre wieder denselben Bogen. Zunächst weist er auf die Defizite hin; denn, leider, gehen die Geschäftsabschlüsse gegen Null. Dieser niederschmetternde Befund wird dann gegen den enormen Publikumszuspruch bei den Lesungen abgewogen und Leipzig als Lesermesse verteidigt. Der große Bruder, das herbstliche Bücherschaulaufen in Frankfurt, gilt als Geschäftstermin, Leipzig als Muss für Literaturliebhaber. Und fertig ist die Rechtfertigung dieses netten dreitägigen Betriebsausflugs ins Sächsische.

Genau diese Pirouette ließe sich nun wieder drehen. Aber sie wäre mittlerweile gefährlich. Denn die Tendenz verstärkt sich von Jahr zu Jahr: Als wirkliche Messe wird Leipzig immer virtueller, als Ort und Anlass für Lesungen und Diskussionen immer spannender. Nur haben die Verlage nicht direkt etwas davon. So gern viele Verlagsleute nach Leipzig fahren, so ratlos sind sie, wie sie für die Spesen vor ihren Geschäftsführern geradestehen sollen. Der Gewinn der Messe liegt im Immateriellen. Die Geschäftsführer müssen schon sehr idealistisch oder aber sehr klug sein, um auch im Krisenfall einzusehen, dass dies zählt. Beide Qualitäten lassen sich im zunehmend konzerngeprägten Verlagswesen nicht mehr voraussetzen.

Leipzig muss also etwas unternehmen, sonst geht die Messe an allmählicher Auszehrung zugrunde. Das einzige Kapital, das die Messe hat, ist das Interesse des Publikums. Das aber ist in der Tat ein gewaltiges Kapital. Man hat in den vergangenen Tagen Schriftsteller Freudentränen weinen sehen, weil fünfmal so viele Zuhörer zu einer Lesung gekommen waren als gewöhnlich. Die Literatur wird hier ernst genommen. Das ist die einzige Chance von Leipzig. Die Messe muss ein deutliches inhaltliches Profil gewinnen. Sie muss Diskussionen aufnehmen und Debatten setzen.

Bei aller Rührigkeit hapert es daran zur Zeit noch. Ziel muss sein, dass ein Verlag, der sich Leipzig verweigert, erhebliche Aufmerksamkeitsdefizite erleidet. Leicht zu erreichen ist das bestimmt nicht. Aber es ist der einzige Weg – und übrigens auch ein sehr interssanter. DIRK KNIPPHALS

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