nebensachen aus johannesburg: Recht und Ordnung im neuen Südafrika
Wenn die Falle zuschnappt
„Kameruns Gemeinde feiert ihren Unabhängigkeitstag in Yeoville“, winkt die Freundin mit einer Einladung an meiner Haustür. Ein Besuch des einst so kosmopolitischen Viertels in Johannesburg hat immer noch seinen Reiz. Immigranten aus fast allen Winkeln Afrikas haben Yeoville neu geprägt. Ihre Barbershops, Kneipen und Restaurants säumen die Flaniermeile Rockey Street. Französische Sprachfetzen und die Rhythmen der „Kwasa-Kwasa-Musik“ dringen beim Vorbeifahren ans Ohr.
Am Times Square Café schnappt an diesem Sonntagnachmittag allerdings eine Falle zu. Die Handbewegung des Polizisten an der Straßenecke verkündet Unheil, denn er winkt nicht wie sonst an der Sperre vorbei. „Wir kontrollieren ausstehende Beträge. Haben Sie Ihre Strafzettel bezahlt?“, fragt der schwarze Mann mit dem grimmigen Gesicht. Es stand ja in der Zeitung, dass die Polizei in Südafrika jetzt härter gegen solche Sünden vorgehen will, um die Unsummen von nicht beachteten Knöllchen einzutreiben. Ist da denn nichts mehr zu machen?
Eine lange Wartezeit beginnt. Sollte es jetzt sogar möglich sein, vom Polizeiwagen aus dem Übel auf die Schliche zu kommen? Schon wieder steht der bullige Typ am Seitenfenster. Ich soll entweder 120 Mark sofort zahlen oder die Nacht in der Zelle verbringen. Die Optionen sind klar. Mein Portemonnaie ist eher mit einem Trinkgeld gefüllt, die Kreditkarten liegen zu Hause. Eilig eingetippte Nummern auf dem Handy lassen am anderen Ende die Telefone heiß klingeln. Nichts. Der Polizist wird ungeduldig, sein Wink zur blauen Minna duldet keinen Widerstand.
Während die Freundin vergeblich aus dem nahen Geldautomaten Rettung erhofft, füllt sich der Polizeikombi mit schwarzen Leidensgenossen. Von dort ist die Situation nur schwer zu regeln, das Handy die einzige Verbindung. Frauen eilen herbei, um ihre Männer auszulösen.
Endlich ist die eigene Freundin erfolgreich. Ein nigerianischer Freund hat sich erbarmt, doch wir sind noch 3,50 Mark von der Erlösung entfernt. Ein ebenfalls im Kombi einsitzender Architekt mischt sich ein und reicht das restliche „Lösegeld“ herüber. Der Polizeichef nimmt das Geld und lässt die „Bombe“ platzen: Quittungen gibt es erst im Hauptquartier in der Innenstadt. „Und da fahren wir in unserem Sammeltaxi hin, sobald es voll ist.“
Das klingt nach deutscher Gründlichkeit – wer hätte das gedacht? Die Polizei räumt gnadenlos auf. Das Ende der stundenlangen Odysee scheint in Sicht, doch beim Einbiegen mit Blaulicht auf dem Hof der Polizeistation brechen Schweißperlen hervor: Verkehrssünder stehen Schlange an der Kasse neben einer riesigen Zelle, in der bereits 20 Männer hocken. Als gegen Abend der Stempel „bezahlt“ auf einem Papier runtersaust, flutet eine Welle der Erleichterung durch den Körper. Recht und Ordnung bahnten den Weg ins Freie. Die Partystimmung ist verflogen.
MARTINA SCHWIKOWSKI
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