piwik no script img

nachgefragtNull Daten, aber wenig Nitrofen-Risiko

Besser das Rauchen aufhören

Nach neuesten Erkenntnissen gibt es keine Gefährdung durch Nitrofen für die Bremer Kita-Kinder. Die taz sprach mit Professor Eberhard Greiser vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin über Panikmache und Risiko.

taz: Wie gefährlich sind eigentlich die Mahlzeiten mit dem belasteten Putenfleisch?

Greiser: Das Problem ist, dass es praktisch keine Studien gibt, die die Gefährdung von Nitrofen am Menschen zeigen. Es gibt verschiedene Tierversuche, die ein hohes Krebsrisiko für Leber, Bauchspeicheldrüse und bösartigen Blutgefäßkrebsen zeigen.

Die Versuche sind alle aus den 60er-Jahren.

An der Übertragbarkeit der Karzinogenität besteht für mich überhaupt kein Zweifel. Es hat sich in vielen Studien gezeigt, dass man von Tierversuchen auf das Gefährdungsrisiko im Menschen schließen kann.

Was machen diese Mengen beim Menschen?

Meine Einschätzung ist, dass eine kurzfristige Aufnahme das Krebsrisiko am Menschen vermutlich nicht messbar erhöhen wird.

Aber in 20 oder 30 Jahren ...

Das ist mit Sicherheit nicht festzustellen. Sie müssen sich vorstellen, dass wir von Karzinogenen umgeben sind. Zum Beispiel Dioxine. Beim Rauchen oder beim Essen von gepökeltem Fleisch nehmen Sie Karzinogene auf. In einem gut gegrillten Stück Schweinenacken sind so viele Karzinogene wie in einer Zigarette.

Kann man die Nitrofen-Belastung denn auch auf Zigarettendosen runterbrechen?

Das kann kein Mensch. Und zwar, weil es einfach noch keine vergleichbaren Untersuchungen gibt.

Was ist mit Schwangeren? Es heißt: Ein nitrofenverseuchtes Schnitzel soll fruchtschädigend sein?

Das halte ich für eine wahnsinnige Panikmache. Es ist ganz klar, dass Nitrofen im Tierversuch mit höheren Dosen zu Fehlbildungen führen kann. Aber es gibt null Daten, aus denen man eine Gefährdung einer Schwangeren, die einmal ein so belastetes Putenschnitzel gegessen hat, für ihr Kind ableiten kann. Und deswegen, ist es zehnmal wichtiger, dass Schwangere das Rauchen aufgeben. Da wissen wir nämlich, was es macht.

Sie haben bislang immer den Einkauf bei regionalen Versorgern empfohlen. Ausgerechnet hier gibt es jetzt den Lebensmittelskandal ...

Aber gegen kriminelle Energie können Sie nichts machen. Ich glaube immer noch, dass das, was aus biologisch kontrolliertem Anbau und Viehzucht kommt, sehr viel besser kontrolliert ist, als das, was in industrieller Landwirtschaft hergestellt wird.

Fragen: pipe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen