moord un doodslag: Ab ins Altpapier
Patricia Brandts „Imkersterben“ vereinigt alle Nachteile eines Regionalkrimis in sich. Einzige Freude: Tarzan-Deutsch kommt darin nicht vor
Patricia Brandt: Imkersterben, Gmeiner,282 S., 12 Euro, e-Book 9,99 Euro
Sehr lieb war ja die E-Mail mit der Bitte um Rezension gewesen von der Kollegin. Und das Thema klang für einen Krimi halbwegs interessant: Es sollte über Mord und Totschlag im schleswig-holsteinischen Hobbyimker-Milieu gehen. Ach Gottchen, also hat man dann doch beim Gmeiner-Verlag das Buch mit dem – auch das muss mal gelobt werden – aparten Cover geordert. Und deshalb steht hier nun ein übellauniger Verriss: Denn Patricia Brandts „Imkersterben“ vereinigt alle Nachteile eines Regionalkrimis in sich.
Das Buch ist weder spannend – dank der schematischen Charakterisierung durch übergroße Fürsorge, Geldgier und Spezialwissen lässt sich der Täter bereits bei seinem ersten Auftritt auf Seite 36 erkennen, bevor irgendetwas Gefährliches passieren könnte –, noch ist es amüsant. Und die Figuren wirken, als wären sie mit Schweiß zusammengeknetete Kehrreste einer Backstube nach Feierabend: völlig uninteressant, definitiv leblos und von einer schwer erträglichen anlasslosen Grundmuffigkeit. Es treten in einer geradezu beängstigenden Ausschließlichkeit Personen auf, die leicht blöde wirken, auf eine dumme Weise brutal sind und denen Empathie oder auch nur Achtsamkeit völlig fremd ist.
Die Story: Hobbyimkerin Tilda, stets in Geldnot, bekommt, vermittelt durch ihren fürsorglichen Bruder Tony, ein lukratives Angebot von einer regionalen Supermarktkette für ihren Honig. Sie muss aber erkennen, dass sie an der Mindestliefermenge scheitern würde, für deren Bereitstellung sie nun anderweitig sorgen will, was schief geht. Es kommt zu Toten und ein Polizist namens Oke Oltmanns fährt mit dem Auto durch die Gegend. Spielort ist Hohwacht in Holstein, das ist aber komplett egal. Es könnte auch Höxter sein oder Dirlewang.
Weil das selbst für einen Regionalkrimi eine sehr dünne Handlung ist, hat Brandt versucht, die Chronologie aufzubrechen: Das erste Kapitel spielt im Mai, der Rest des Buchs in den beiden Vormonaten, aber wirklich schlüssig ist dieser kompositorische Eingriff nicht. Ab und an werden penetrante Wissenshäppchen eingepflegt, die sich mit dem Erzählfluss aber nicht verbinden, auch wenn sie im Modus des inneren Monologs aufgeschrieben sind – oder direkt als mündliche Belehrung.
Fatal ist allerdings die Sprache. Also besser gesagt: ihr Fehlen. Denn Patricia Brandt setzt ihr Buch zusammen aus Formeln, die Gemeinplätze bestätigen. Das Meer duftet salzig, die Brise ist steif und die Wolken sind zuverlässig dunkel. „Die Stimmung schien gedämpfter als sonst, was nicht verwunderlich war“, heißt es da. „Immerhin gab es einen unnatürlichen Todesfall zu beklagen.“ Und dann versucht die Autorin auch noch Dialekte zu reproduzieren, die sie nicht beherrscht. In diesem Fall hat sie sich aus unerfindlichen Gründen für etwas entschieden, das sie für Kölsch zu halten scheint: Eine der Hauptfiguren, der zweite Polizist mit dem wortwitzigen Namen Vincent Gott, wird als Rheinländer eingeführt. Selbstredend kann er nur eine Frohnatur sein. Er ist ja Rheinländer. Und was ihm Brandt in den Mund legt, sind entweder die Standardfloskeln des rheinischen Grundgesetzes (et kütt wie et kütt, et hätt noch emmer… usw.), die witzig waren, als der Südtiroler Satiriker Konrad Beikircher es vor 20 Jahren formuliert hatte. Oder es ist irgendetwas ganz Seltsames, dessen Sinn zu erschließen auch Kölsch-Muttersprachler*innen nur aus dem Kontext gelingt.
Warum nur macht sie das, wo ihr diese Mundart fremd ist und ihr Einsatz weder lustig noch gar einen Gewinn an Leben bedeuten würde? Und warum zum Kuckuck leistet sich der Gmeiner-Verlag kein Lektorat, das solche Peinlichkeiten beseitigt?
Immerhin: Tarzan-Deutsch wäre noch schlimmer gewesen. Dafür, dass dies vermieden wurde, flammt am Ende etwas Dank auf, kurz bevor das Ding im Altpapier-Container landet. Benno Schirrmeister
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