leserinnenbriefe :
■ betr.: „Oskar Lafontaine steht das Wasser bis zum Hals“, taz vom 12. 5. 09
Eine Arbeitnehmerposition
Um über linke Forderungen einen Mainstream-Beitrag zu lesen, brauche ich keine taz zu abonnieren. Der politische Mainstream zeichnet sich durch große Arbeitgeberhörigkeit aus. Ich möchte anhand der linken „Maximalforderung“ nach 10 Euro Mindestlohn mal eine Arbeitnehmerposition dagegensetzen. 10 Euro brutto bringen 6,80 Euro netto. Bei 38,5 Stunden sind das 1.122 Euro im Monat, 20 Prozent über Hartz IV von Alleinstehenden, 20 Prozent über der Armutsrisikogrenze, 13 Prozent über dem Pfändungsfreibetrag, und immer noch ein Niedriglohn, also zwei Drittel vom mittleren Lohnniveau. 10 Euro in der Stunde bringen einem Ehepaar mit zwei Kindern noch nicht einmal Hartz-IV-Niveau, wenn beide zusammen 66,5 Stunden in der Woche arbeiten. 10 Euro in der Stunde bringen bei 38,5 Stunden nach 40 Jahren Arbeit eine Rente von 720 Euro. Und für eine private Zusatzrente ist bei 10 Euro in der Stunde kein Geld da. Ein Lohn von 10 Euro oder weniger bringt dem Arbeitsmarkt billige Arbeitskräfte, aber selbst Niedriglöhne kriegen die Krise des Kapitals nicht beseitigt, eher verschärfen sie die Krise.
Niedriglohn produziert andererseits Kosten im Sozialbereich: Kinderarmut mit ihren Folgekosten und Altersarmut mit ergänzenden Sozialhilfelasten. Die Kommunen sind schon fleißig am Rechnen, welche Sozialhilfekosten in den kommenden Jahrzehnten auf sie zukommen, wenn Arbeitnehmer aus weniger Einkommen und weniger Beschäftigungsjahren nicht mehr genug für die Rente eingezahlt haben. Mit Niedriglohn werden Leute heute gedemütigt und Lasten auf künftige Generationen verlagert. 10 Euro Mindestlohn hat nichts mit Maximalforderung zu tun, das ist eine Minimalforderung. Und es ist gut, dass das mal offen gesagt wird.
CHRISTOPH BERNHARD, Münster
■ betr.: „Oskar Lafontaine steht das Wasser bis zum Hals“
Superreißerischer Titel
Ach taz, das Wasser steht Oskar bis zum Hals, titelst du superreißerisch. Beim Lesen des Artikels wird von diesem bedrohlichen Wasserstand nichts, aber auch gar nichts sichtbar. Als Stichwortgeber für Felix Lee dient einer, der wirklich prädestiniert dafür ist, vorm Verspielen von Einfluss zu warnen: Immerhin hat die linke Koalitionspolitik in Berlin, für die er wirbt, es geschafft, die Wählerschaft der Linken in Berlin zu halbieren. Mein Gott, welch aufregende Umbrüche: Die Linke will, dass die Harz-Gesetze zurückgenommen, der Niedriglohnsektor mit 10 Euro Mindestlohn zurückgedrängt werden! Und dass die Umverteilungsprofiteure der letzten Jahre den Umwelt- und sozialverträglichen Umbau der Wirtschaft finanzieren sollen statt die Bezieher kleiner Einkommen! Die demontierten sozialen Sicherungssysteme wieder aufs Niveau von Kanzler Kohl anheben – ein radikalsozialistisches, ja fundamentalistische Programm, jawoll! Da gehen ja wirklich die Chancen auf gut dotierte Minister-, Staatssekretärs- und Beraterposten flöten, fürchtet ein – wer bitte? – Wechselberg, der sich im richtigen Moment an die Mikrofone von allen drängt, die jetzt Die Linke in den Keller schreiben wollen. FAZ oder taz? Einen kleinen Unterschied möchte man doch noch gern wahrnehmen! TOM ADLER, Stuttgart
■ betr.: „Oskar Lafontaine steht das Wasser bis zum Hals“
Informieren, nicht manipulieren
Die Meinung eines Abgeordneten, der jetzt merkt, dass er in der falschen Partei ist, so zentral zu positionieren (Überschrift!), lässt doch vermuten, dass die taz ihren Anhängern Die Linke madig machen will. Ich möchte informiert und nicht manipuliert werden, um mich dann selbst gegen etwas oder für etwas zu entscheiden. GÜNTER SCHMIDT, Berlin
■ betr.: „Oskar Lafontaine steht das Wasser bis zum Hals“
Eine gar nicht wichtige Position
Die Titelzeilen waren schon mal deutlich besser: wenn ein Andersdenkender einer Partei etwas kritisiert, ist das doch keine Schlagzeile „Lafontaine steht das Wasser bis zum Hals“ wert. Nur weil Wasser französisch wie deutsch drin vorkommt … Das ist eine Aufwertung einer gar nicht wichtigen Position, und das in der Tagesheadline. Finde ich gar nicht gut.
THOMAS KELLER, Königswinter