: leben in funnyland
■ yves eigenrauch
wo bin ich? im hotel an einem samstag. auch heute ist punktspieltag. same procedure. recht früh morgens, vom frühstück gekommen, stehe ich vor dem spiegel des badezimmers. grün. halogenlicht scheint auf mich nieder. grün. in den minuten, während derer ich mich dort aufhalte, schießen mir gedanken für tage durch den kopf. wieder die frage nach dem sein.
was wird sein? was werde ich schaffen? nichts werde ich nie mehr sein können
was ist? nachher werde ich der voraussicht nach spielen dürfen. werden wir gut spielen, erfolgreich sein? spiele ich gut? ein spiel gewonnen, letzte woche; ein spiel ist kein spiel. wollen wir oder müssen wir wieder gewinnen? die luft wäre wieder sauerstoffreicher! ich stelle mir mehrere fragen. die umgebung löst sich zugunsten meiner auf. beim blick aus dem fenster sah ich die sonne scheinen. die kleinen nebelschwaden künden von frischer luft. was mache ich hier, wo ich doch auch gleich in die stadt gehen könnte, wochenende wochenende sein lassen. frankfurt hat unter diesen wetterlichen voraussetzungen etwas weihnachtliches. einige jahre zuvor fand hier in der festhalle ein bundesliga abschlussspektakel statt, zum ende der hinrunde, kurz vor weihnachten. alle spieler, alle trainer, alle funktionäre. man traf sich zum beisammensein. und aus einem anderen unterstellten grund. nach der veranstaltung begann der urlaub. zeit also, in die innenstadt zu fahren; der alltag lag von nun an für einige tage an anderer stelle. schlenderte mit meiner frau über den weihnachtsmarkt, frühstückte mit meiner frau im café, besuchte mit meiner frau eine ausstellung im museum für moderne kunst. schön, so schön wie der klang von schön im vorspann der klamottenkiste. die sich mir stellende frage scheint also durchaus berechtigt. ihr fragt euch doch sicher auch hin und wieder, warum ihr wo auch immer was auch immer macht.
was ist? das erste mal logierte der yves im kempinski hotel gravenbruch im letzten jahr. er ward eingeladen zu einer studienreise in die türkei und nach moldawien. dfb. die vorbereitung auf die spiele fand an besagtem ort statt. vom flughafen mit einem schwarzen s-klasse-auto von mercedes-benz nebst chauffeur abgeholt. booh. ey. security-menschen hier und da. nicht schlecht, was? insbesondere das frühstücksmüsli von fritz westermann. ganz abgesehen von den vielen anderen bekannten männern. so sorry. studienreise meint im denken dieses fußballers, dass er während der spielzeiten nicht zum einsatz gekommen ist, aber zumindest gelernt hat. ist doch sinn (und zweck) einer studienreise?!?
was wird sein. hier sitze ich. was ist wohl in fünf jahren? ich dachte immer, ich müsste mit dreißig wissen, was sache ist. frau, kind, haus und hof und einen beruf haben; früher. was geht? eineinhalb jahre habe ich noch. nie und nimmer reichen die. sollten diese achtzehn monate denn reichen? nein. ganz im sinne von zeit der reife; fühle mich mathieu verwandt. selbstverwirklichung erscheint als eine mögliche lebensintention. wie schade, dass man zum existieren in europa geld verdienen muss. die ansprüche sind gestiegen. existenzangst. sei nicht albern, was sagen andere?
was werde ich schaffen? jobbe ich in einer kneipe, werde ich doch co-trainer, arbeite ich beim grünflächenamt. werde ich kioskbesitzer oder gar bildender künstler? journalist?
nichts werde ich nie mehr sein können. im zweifelsfall bin ich mein leben lang derjenige, der mal in einem uefa-cup-spiel für schalke jenen glorreichen ronaldo bespielt hat. in deutschland.
also new york. wenn schon nicht für die metro stars spielen, dann eben als nichts zusehen, was kommt, was geht. wollte ich mich beruhigen, sagte ich mir: qualität setzt sich durch. ich beginne dann mal mit dem lernen.
das halogenlicht lichtet. same procedure. acht stunden später: die luft ist sauerstoffhaltiger.
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